Alice Schwarzer: Die Enkelinnen gratulieren nicht

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Alice Schwarzer wird diesen Montag 70 Jahre. Ein neues Buch kritisiert ihre Rolle als Überfeministin der Nation. Das Sticheln hat sie nicht verlernt.

Vielleicht hätte Alice Schwarzer ihrer Autobiografie mehr Zeit geben sollen. Wenn nämlich der fast 500 Seiten dicke „Lebenslauf“, den sie im Vorjahr verfasste, erst jetzt erschienen wäre, hätte sie die jüngste kritische Stimme zu ihrem Lebenswerk zwar nicht zum Verstummen, vielleicht aber zum Verblassen gebracht. Nun wird Schwarzer am heutigen Montag 70 und hat der lautstarken Kritik an ihrem Lebenswerk nicht viel mehr als ein, zwei Interviews entgegenzusetzen.

Nicht nötig, dass sie eigens erwähnt, wie wenig sie von Büchern wie dem von Historikerin Miriam Gebhardt hält. Es seien die „ewigen Frauenquerelen“, die ihr schon lange lästig sind, erklärte sie gerade dem deutschen Wochenmagazin „Der Freitag“. Dabei ist Gebhardts Buch „Alice im Niemandsland“ – der Titel ist eine ironische Referenz an Schwarzers Buch „Alice im Männerland“ – nicht nur Abrechnung mit Schwarzer, sondern kritische Bestandsaufnahme des deutschen Feminismus. Es sei ein Dilemma, dass es Schwarzer in 40 Jahren nicht gelungen sei, „Schwestern im Kampfe“ zu finden, nicht einmal eine Nachfolgerin oder Enkelin. Die deutsche Frauenbewegung sei „programmatisch unbedeutend, organisatorisch unsichtbar und auf eine Symbolfigur zusammengeschrumpft“, schreibt Gebhardt.

„Fernsehfeministin“ für Medien

In diesem letzten Punkt stimmt ihr Schwarzer sogar zu. Es gebe keine „Frauenbewegung“ im politischen Sinne mehr, sagte sie dem „Freitag“ – der Feminismus habe stattdessen „den langen Weg in die Gesellschaft angetreten“. Heute gebe es tausende engagierte Feministinnen, die Lehrerinnen, Hausfrauen oder Wissenschaftlerinnen geworden sind. Nur könnten die eben nicht so sichtbar sein wie sie es als Journalistin eben ist.

Genau dieses damit angedeutete Verhältnis zwischen den Medien und Alice Schwarzer ist es, das Gebhardt in ihrem Buch ganz besonders kritisiert. Deutschlands Medien würden sich, nachdem sie sich bis in die 1980er-Jahre an ihr abgearbeitet hätten, heute eine „Fernsehfeministin“ halten. Schwarzer und das deutsche Fernsehpublikum, das sei „wie ein altes Ehepaar. Jeder weiß, was als Nächstes kommt.“ Und auch die Printmedien würden ihr immer noch eine viel zu große Bedeutung beimessen, was sich daran ablesen lasse, dass der „Spiegel“ allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 fünf Mal über sie berichtet hatte.

Im Visier der jungen Frauen

Schon richtig, Schwarzers Präsenz auf Talkshow-Sofas ist bisweilen inflationär und zuletzt verwunderte ihre Berichterstattung in der „Bild“ über den Vergewaltigungsprozess gegen Jörg Kachelmann (der mit Freispruch endete). Doch Gebhardts Kritik fällt auf sie selbst zurück, schließlich tut sie mit ihrem Buch das, was sie bei den anderen stört: Sie stellt Schwarzer als Überfeministin in den Mittelpunkt.

Schlüssiger ist da schon Gebhardts Erklärung, woran es liege, dass sich bereits die zweite oder gar dritte Frauengeneration an Schwarzer abarbeitet. Schuld daran sei ihr, nämlich Schwarzers, einseitiges Frauenbild. In ihrem Magazin „Emma“ würde sie Frauen unverändert in zwei Kategorien einteilen: in die starken, feministisch Vorbildlichen und in die schwachen, „von einem falschen Bewusstsein Infizierten“. Es sei diese Schwarz-Weiß-Malerei, dieses Feind-Freund-Denken, mit dem jüngere Frauen wenig anfangen könnten.

Alice Schwarzer freilich ist im Umgang mit ihren Kritikerinnen routiniert. Es gebe „ganze Frauenkarrieren, die auf der Aussage beruhen: ,Ich finde Schwarzer scheiße‘“, sagte sie unlängst. Ihre Antwort darauf ist klar: „Mädels, existiert einfach selber! Macht euer eigenes Ding, statt euch wieder und wieder an mir abzuarbeiten, euch bei den Männern anzubiedern, in dem ihr euch von mir distanziert.“

Auch das Sticheln hat sie nicht verlernt: In ihrem Geburtstagsinterview schießt sie kleine Giftpfeile gegen Rivalin Charlotte Roche. Deren Roman „Feuchtgebiete“ sei „ein sehr trauriges Buch, ein einziger Schrei nach Aufmerksamkeit“. Mehr über ihren Konflikt mit der Moderatorin wird man möglicherweise im zweiten Teil ihrer Autobiografie lesen können. Den will sie nämlich unbedingt bald schreiben.

Die Kritikerinnen

Alice Schwarzer, 3. 12. 1942, seit 1977 Chefin der Zeitschrift „Emma“, ist eine beliebte Zielscheibe für Kritik an ihrem Feminismus.

- Bascha Mika, einst Chefredakreurin der „taz“,schrieb 1998 „Eine kritische Biografie“ über Schwarzer.

- Charlotte Roche distanzierte sich in ihrem Roman „Schoßgebete“ und einigen Interviews von ihr.

- Miriam Gebhardt verfasste die jüngste Polemik mit „Alice im Niemandsland. Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“ (DVA, 346 Seiten).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2012)

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