Machtkampf um Suhrkamp: Verlagschefin abberufen

Machtkampf Suhrkamp Verlagschefin abberufen
Machtkampf Suhrkamp Verlagschefin abberufen(c) EPA (ARNE DEDERT)
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Gesellschafter Hans Barlach will Ulla Unseld-Berkéwitz die Suhrkamp-Leitung abringen. Nun wurde sie von einem Gericht überraschend als Verlagschefin abberufen.

Ein Machtkampf spielt sich derzeit im renommierten deutschen Suhrkamp-Verlag ab: Minderheitsgesellschafter Hans Barlach will Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz, Frau des 2002 gestorbenen Firmenpatriarchen Siegfried Unseld, entmachten und hat am Montag einen überraschenden Etappensieg errungen. Auf seinen Antrag hin verpflichtete das Landgericht Berlin am Montag Unseld-Berkéwicz und ihre zwei Mit-Geschäftsführer, knapp 282.500 Euro Schadenersatz an den Verlag zu zahlen. In einer bisher wohl beispiellosen Entscheidung ist die Verlegerin außerdem per Gerichtsbeschluss als Geschäftsführerin des Suhrkamp Verlags abberufen worden. Das Landgericht Berlin setzte am Montag einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vom November 2011 rückwirkend in Kraft.

(Noch) keine Auswirkungen

Suhrkamp-Anwalt Peter Raue sagte der dpa auf Anfrage, solange die Entscheidung nicht rechtskräftig sei, ändere sich nichts an der derzeitigen Geschäftsführung. Er gehe davon aus, dass die Verlagsspitze gegen die Entscheidung in die Berufung gehen werde. Zunächst wolle man jedoch die Urteilsbegründung abwarten.

Die Entscheidung des Gerichts bezieht sich zunächst auf die Dachgesellschaft des Verlags. Dem Beschluss zufolge sollen aber auch die beiden Mitgeschäftsführer von Unseld-Berkewicz abberufen werden. Ein Gerichtssprecher sagte auf Anfrage, der Fall sei wegen der verschiedenen betroffenen Gesellschaften "extrem schwierig".

Privates und Geschäftliches vermischt

Barlach hatte der Geschäftsführung vorgeworfen, durch die Anmietung von Event-Räumen im Haus der Verlegerin Privates und Geschäftliches unzulässig vermischt und dem Verlag geschadet zu haben. Zudem erklärte das Gericht die Entlastung der Geschäftsführung durch die Gesellschafterversammlung im Jahr 2011 für nichtig. Die Gründe der Entscheidung lagen zunächst nicht vor.

Unseld-Berkéwitz ist über eine Familienstiftung mit 61 Prozent am Suhrkamp Verlag beteiligt, der Hamburger Medienunternehmer Barlach hält die restlichen 39 Prozent. Er will in mehreren Verfahren eine Ablösung der Firmenchefin erreichen.

"Habe große Lust, den Verlag zu führen"

Die Verlegerin verkehrt seit Jahren nur noch vor Gericht mit Barlach. Im Kern geht es darum, dass dieser, Enkel des Bildhauers Ernst Barlach und früher selbst Galerist, gegen alle Widerstände Mitsprache im Verlag beansprucht. "Ich habe große Lust, diesen Verlag zu führen", sagte der Minderheitsgesellschafter dem Magazin "Focus". "Ich kann es. Jedenfalls besser als die gegenwärtige Verlagsspitze."

Droht dem Verlag das Ende?

Er versucht derzeit vor dem Landgericht Frankfurt die Auflösung der Gesellschaft zu erstreiten, um alle Anteile zu übernehmen. Eine Entscheidung will das Gericht am 13. Februar 2013 verkünden.

Der Suhrkamp Verlag war Anfang 2010 nach Berlin gezogen. Er sieht sich durch die Querelen mit seinem Minderheitsgesellschafter Barlach nicht von Auflösung bedroht. "Wir glauben, dass der Auflösungsantrag von Herrn Barlach keinen Erfolg hat, weil ihm jede Substanz fehlt", so Suhrkamp-Rechtsanwalt Peter Raue.

Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der seine Bücher bis 2008 bei Suhrkamp veröffentlicht hat, hätte mit einem Ende des Verlags wenig Probleme, wie er der "Bild am Sonntag" sagte. "Ich glaube nicht, dass es ein großer Verlust wäre, wenn dieser Verlag verschwinden würde", sagte er dem Blatt. "Suhrkamp hat meine Bücher einfach abgegeben und Schluss. Ein Verlag, der so etwas tut, ist kein seriöser Verlag."

Der Streit

Der Suhrkamp Verlag wird seit 2003 von der Witwe des ehemaligen Firmenpatriarchen Siegfried Unseld geführt. Nach internen Machtkämpfen und Querelen mit bekannten Autoren war das Haus seit dem Umzug nach Berlin zunächst wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen, ehe der Streit mit Barlach eskalierte. Beide Seiten haben mittlerweile angeboten, die Anteile des jeweils anderen zu übernehmen. Über den Preis gibt es allerdings Streit. Eine solche Lösung zeichnet sich deshalb vorerst nicht ab.

(APA/dpa)

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