Unversöhnliche Parteien im Drama um Suhrkamp

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Die Gesellschafter des deutschen Verlags wollen einander aus dem Geschäft drängen. Weder die Chefin, Unseld-Berkéwicz, noch Newcomer Barlach will einlenken. Die Rechtsstreitigkeiten drohen existenziell zu werden.

Über das dramatische Talent von Ulla Unseld, geborene Schmidt, die sich den Künstlernamen Berkéwicz frei nach ihrer jüdischen Großmutter zugelegt hatte, schrieb ein Kritiker vor fast 30 Jahren, dass sie „stets bedingungslos aufs Ganze ging“, als agierte sie „für ein Theater, das es nicht mehr (oder noch nicht) gab“. Die Schauspielerin aus Gießen, Tochter eines Arztes und einer Schauspielerin, war in erster Ehe mit Regisseur und Bühnenbildner Wilfried Minks verheiratet. In den Achtzigerjahren debütierte sie als Suhrkamp-Autorin. „Josef stirbt“ wurde 1982 ein Erfolg. Es gab danach aber auch legendäre Verrisse. 1990 heiratete sie den Verleger Siegfried Unseld.

Unbedingtheit gilt auch für die Geschäftsfrau Ulla Unseld-Berkéwicz, die nach dem Tod ihres Mannes 2002 die Macht bei Suhrkamp übernahm. Schon zuvor herrschte Zwist im Verlagshaus. Die Rechtsstreitigkeiten der Gesellschafter aber, die derzeit an Gerichten in Frankfurt am Main und Berlin toben, drohen, für die GmbH & Co. KG existenziell zu werden. Es geht um alles oder nichts.

Die Prozesse sollten vor allem Unvereinbarkeiten klären, etwa die Verquickung von Privatem und Geschäftlichem beim Mieten einer Villa in Berlin. Wichtiger noch: Frau Unseld war bisher Stiftungsvorsitzende und zugleich Geschäftsführerin. Letztere Stellung hat sie am Montag vor dem Landgericht Berlin rückwirkend verloren, auch in der Mietsache ist Schadenersatz zu leisten, wie „Die Presse“ am Dienstag berichtete. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, voraussichtlich im Februar geht es in die nächste Runde. Die Richter pochen auf beiderseitiges Einlenken, doch stoßen sie auf solch harte Kontrahenten, dass nicht klar ist, ob die Geschichte als Farce oder endgültig als Tragödie enden wird.

Daran trägt auch Siegfried Unseld Mitschuld. Der Patriarch, der den Verlag zum deutschen Paradeunternehmen der Literatur gemacht hatte, wollte nach vielen Querelen mit potenziellen Nachfolgern eine klare Lösung. Er schuf aber eine Konstruktion, die Suhrkamp nun zu zerreißen droht. Genau das wird derzeit rücksichtslos versucht. Die Parteien: auf der einen Seite Unseld-Berkéwicz – sie besitzt 61 Prozent der Anteile in einer Familienstiftung, seit ihr Stiefsohn Joachim 2009 seine 20 Prozent an Suhrkamp veräußert hat, ebenfalls nach langem Streit. Zehn Prozent gingen an deren Stiftung, zehn an die andere Seite – an Hans Barlach. Dieser Verleger, Enkel des Bildhauers, besitzt 39 Prozent der Anteile. Mit einem Investor war er 2006 in den Verlag eingestiegen, als er 29 Prozent Anteile eines Schweizer Mäzens kaufte – eine feindliche, ja gar nicht legale Übernahme, behauptet die Gegenseite.

Charmant, eiskalt oder gar böse?

An Machtkämpfen hat es schon vor Barlachs Engagement nicht gemangelt. Die Witwe, die von Freunden als charmant, von Gegnern als eiskalt bezeichnet wird, polarisiert. Das mag auch an der Männergesellschaft der Literatur liegen. Großkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte sie nach hässlichem Streit „eine böse Frau“. Aus Protest trat auch ein Stiftungsrat (mit Größen wie Habermas und Enzensberger) zurück, starke Autoren verließen den Verlag – etwa Walser, Kehlmann und Gstrein. Letzterer schrieb dann einen Schlüsselroman über die Witwe. Geschäftsführer und Lektoren gingen in Serie, auch der von Unseld-Berkéwicz forcierte Umzug von Frankfurt nach Berlin wurde kritisiert. Sogar ihr Geburtsdatum ist umstritten. 1948 oder 1951? Das aber wird derzeit eine geringere ihrer Sorgen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2012)

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