Der neue Otfried Preußler: Messerwerfer statt Negerlein

Otfried Preuszler ist tot
Otfried Preuszler ist tot(c) EPA/PETER KNEFFEL
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Der Tageszeitung „Die Welt“ liegt jetzt schon die umstrittene Neuausgabe von Preußlers Klassiker „Die kleine Hexe“ vor. Das „N-Wort“ fehlt. Und das ist ganz plausibel so.

Es waren einmal zwei kleine „Negerlein“, die gingen eine verschneite Landstraße hinunter. Begleitet wurden sie von „Türken mit roten Mützen und weiten Pluderhosen“, von Chinesinnen und einem „Hottentottenhäuptling“. Es war nämlich – trara! – Fasching, und die Kinder tobten darum verkleidet durchs Dorf: Die Türken warfen Papierschlangen in die Luft, der Hottentottenhäuptling brüllte sein „Uaaaah“, und der Menschenfresser grölte: „Hungärr, Hungärr, wer will sich frrressen lassen?“

Es ist diese kleine Passage, die im Jänner für seitenlange Empörung im deutschen Feuilleton gesorgt hat: Weil der Thienemann Verlag bekannt gegeben hatte, er werde das Wort „Negerlein“ aus der im Juli erscheinenden Neuauflage von Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ tilgen. Darf man das? Darf man einen Klassiker der Kinderliteratur einfach verändern? Und ist es nicht sogar im Gegenteil so, dass wir uns der Möglichkeit begeben, den Kindern die Begriffe und ihre Geschichte zu erklären, wenn man die Begriffe einfach mir nichts, dir nichts ausmerzt?

Der Autor – er starb im Februar – ging weniger zimperlich mit seinem Werk um: Die „Messerwerfer“, die in der Neuausgabe die „Negerlein“ ersetzen werden, waren noch seine Idee. Schließlich ging es ihm nicht um Geschichtsunterricht, sondern um seine Geschichte. In dieser Geschichte trifft die kleine Hexe eine Faschingsgesellschaft und weiß nicht gleich, was das sein soll. Im Gegensatz zu den kleinen Lesern und Zuhörern, die damit der Hexe etwas voraushaben – was Spaß macht.

Und hier setzt die am Wochenende in der Tageszeitung „Die Welt“ gedruckte neue Passage an: In dieser Fassung erkennt auch der im 21.Jahrhundert geborene Leser oder Zuhörer verlässlich und sofort, dass hier ein Faschingsumzug durch die Straßen tollt. Aus dem Türken wurde ein Cowboy, aus dem Hottentottenhäuptling wurde ein Seeräuber, aus dem Negerlein ein Messerwerfer. Das ist plausibel.

Abgesehen davon, dass sich dunkelhäutige Kinder von der Bezeichnung „Negerlein“ gekränkt fühlen könnten. Und wer will das schon? Kinder kränken?

Beendet ist die Debatte damit nicht. Vermutlich geht es gar nicht darum, ob nun die Veränderungen zur Intention des Textes passen, es geht nicht um ein Kinderbuch. Es geht um das N-Wort, um Zensur, und darum, dass es immer so war.

Am 15.Juli wird die Neuauflage der „Kleinen Hexe“ im Thienemann Verlag erscheinen: Erstmals mit bunten Bildern und erstmals mit Messerwerfern und Cowboys und Seeräubern. So mancher wird wehmütig an den alten, noch mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustrierten Band denken, den er einst unter der Bettdecke las, als die Eltern glaubten, er schliefe schon längst.

Die Kinder von heute aber werden sich freuen.

E-Mails an: bettina.steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2013)

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