Alte gegen Junge: Eine Front, die es nicht gibt

Alte gegen Junge
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Die Alten leben in Saus und Braus, die Jungen schuften: So lesen sich manche Kommentare zum scheiternden Generationenvertrag. Ganz so einfach ist es dann doch nicht.

So blasen wir zum Sturm gegen alle, die ihren Lebensabend in Saus und Braus genießen. Die mit geborgtem Geld meiner Generation noch einmal richtig auf den Putz hauen wollen, bevor die Welt nach ihrem Ableben schließlich zugrunde geht. Lasst uns mit sozialen Medien, die uns als Werkzeug zur Revolution in die Hand gegeben worden sind, die Massen der unter 30-Jährigen mobilisieren und von den Alten holen, was uns genommen wurde. Ebnen wir endlich die Lebenseinkommenskurve gewaltsam, und planieren wir den Weg zur Generationengerechtigkeit!“


Nicht feig, besonnen. Nein. Diese Rolle als undifferenziert um sich schlagende, wütende und hysterische Generation lassen wir uns nicht auf den Leib schneidern. Man kann uns tausendmal dazu anstacheln, den Krieg gegen unsere Großeltern zu eröffnen. Wir werden uns dazu nicht hinreißen lassen. Nicht weil wir feig sind. Meine Generation ist mit einem scharfen Sinn für Realität und Besonnenheit ausgestattet. Wir sind so empathisch, dass wir uns auch in die andere Seite der Lebenspyramide einfühlen können.

Dort sehen wir Menschen, die ihr ganzes Leben lang in der festen Annahme gearbeitet haben, nach Ende des Berufslebens ein gesichertes staatliches Einkommen zu erhalten. Ihre berufliche Tätigkeit war durch körperliche Anstrengung geprägt. Viel stärker als heute, da uns Maschinen vieles abnehmen. Die Bedrohung einer sinkenden Geburtenrate war fern. Zu fern, um darauf einen Einfluss auf das Umlageverfahren zu erahnen.

Gleichzeitig offenbart uns die Statistik die Unzulänglichkeiten des Systems, die dankend ausgenutzt werden. In Österreich werden aus einem gesetzlichen Pensionsantrittsalter von 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer laut Statistik Austria in der Realität 57,3 und 59,2 Jahre. Ein Viertel aller Staatsausgaben sind Pensionszahlungen. Jedes Jahr steigt die Lebenserwartung um einige Monate und damit die Zeit, in der ein alter Mensch Geld vom Staat bezieht. Auch in anderen Industriestaaten wie Deutschland klafft zwischen dem Gesetz und der Realität eine mehrjährige Lücke. Das stellt meine Fähigkeit zur Empathie auf eine harte Probe.

Wenn die Lebenserwartung steigt, müssen wir auch länger arbeiten, weil die Menge an Geld, die wir für Pensionen zur Verfügung haben, nicht analog zur Lebenserwartung größer wird. Die niedrige Geburtenrate und das Faktum, dass junge Menschen immer später ins Berufsleben einsteigen und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, verstärken den Druck. Merksätze, die die Politik gut kennt, aber einfach nicht ins Bewusstsein bekommt. Jeder Mensch kriecht durch Schlupflöcher, die das Gesetz ihm bietet – unabhängig vom Alter. Es wäre Aufgabe der Politik, das Gesetz so zu gestalten, dass eine leistbare Lösung für die zahlenden Generationen herauskommt.

Jung gegen Alt: Es ist grundlegend falsch, alle Probleme auf diese Front zuzuspitzen. Abseits aller Zahlen und Statistiken erwecken ältere Menschen einfach nicht den Eindruck, als würden sie in Saus und Braus auf Kosten der Jungen leben. Diese subjektive Einschätzung ohne Daten und Fakten könnte natürlich auch Resultat einer Täuschung sein. Denn die Art, wie mit persönlichem Reichtum umgegangen wird, hat sich im vergangenen Jahrhundert maßgeblich verändert. Unseren Großeltern ist eine Mentalität anerzogen worden, die es ablehnt, Wohlstand zur Schau zu stellen. Die tunlichst darauf bedacht ist, nur ja nicht den Eindruck zu erwecken, mehr Geld zur Verfügung zu haben, als zum Leben benötigt wird. Das macht es schwierig, von Äußerlichkeiten auf den Besitz zu schließen. Meine Generation wächst in einem Umfeld auf, in dem es immer trendiger wird, materielles Vermögen zu präsentieren. Ist keines vorhanden, so gilt es, zumindest den Anschein zu erwecken. Das macht den Trend für eine breite Bevölkerungsschicht zugänglich.

Wenn wir von Generationengerechtigkeit sprechen, müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass es zwischen uns und den Generationen davor ein ständiges Geben und Nehmen gibt. Wir sind nicht einfach nur die armen Opfer, die für die Versäumnisse von gestern und heute irgendwann einmal die Zeche zahlen müssen. Wir leben viel länger auf Kosten unserer Eltern, als es früher üblich gewesen ist. Unsere Ausbildung dauert länger, wir wohnen länger zu Hause, viele bekommen Vermögen vererbt, und wer in jungen Jahren schon Kinder hat, will auf Oma und Opa als unentgeltliche Babysitter auch nicht verzichten.

Unsere Eltern haben uns, so wie sie es von ihren Eltern gelernt haben, in dem Bestreben aufgezogen, uns ein besseres Leben als sich selbst ermöglichen zu können. Dieses Prinzip der Wohlstandsweitergabe von einer Generation zur nächsten funktioniert nicht mehr. Ich gehöre der ersten Generation seit dem Zweiten Weltkrieg an, der es materiell nicht besser gehen wird als ihren Vorfahren. Die Aufarbeitung dieses Bruchs einer großen gesellschaftlichen Tradition wird so lange dauern, bis der nächste Aufschwung kommt und wir sie fortführen können.

Aber wann wird das sein?


Neue Biedermeier. In der Zwischenzeit flüchtet sich die Jugend dorthin, wo sie ihre Lebensumstände am besten steuern kann: in ihre kleine heile Welt. Wenn die Jugendforschung von einer Rückkehr des Biedermeier-Zeitalters spricht, so hat sie in vielen Belangen gar nicht so Unrecht. Natürlich gilt es zu bedenken, dass „die Jugend“ ein heterogenes Gebilde ist, das nicht in eine einzige Schublade gepackt werden kann. Es spricht beim Thema gesellschaftliche Trends auch niemand von „den Erwachsenen“.

Trotzdem braucht man kein Studienautor zu sein, um beobachten zu können, dass Familiengründung, Haus und Karriere die wichtigsten Lebensziele für die meisten jungen Menschen sind. Beobachte ich die Aktivitäten Gleichaltriger im Internet, gehören Familienfeste und Strandurlaube zu jenen Ereignissen, die in der Gunst der „Gefällt mir“-Klicker am höchsten stehen. Auf den Fotos sind junge Menschen, die Spaß haben. Die demonstrativ das Leben genießen. Die sich gern in volkstümlicher Tracht kleiden. Die sich mit dem bürgerlichen Leben gut arrangiert haben. Die keinen Widerstand gegen „das System“ leisten, sondern ein Teil davon sein wollen. Alt-68er oder selbst ernannte Ex-Revoluzzer bedauern das und beklagen sich über die angepasste Jugend, die kein Interesse an Veränderung hat. Die Spezies enttäuschter Jugendkritiker wurde von Sprüchen wie jenem Theodor Fontane zugeschriebenen geprägt: „Wer mit 19 kein Revolutionär ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch ein Revolutionär ist, hat keinen Verstand.“ Sie geben sich von der Visionslosigkeit der jungen Generation enttäuscht.

Ich würde sie gern der Ahnungslosigkeit beschuldigen, aber irgendwie ist an ihren Wehklagen auch etwas Wahres dran. Der Anteil der Jugendlichen, die über den eigenen Tellerrand hinausblicken, ist im Generationenvergleich nicht größer geworden. Die Lebensziele Familiengründung, Haus und Karriere stehen nicht gerade für Gemeinnützigkeit, Weltverbesserung und Veränderungswillen. Schon eher für Kapitalismus, Tradition und Egoismus.

Meine Generation lebt nicht in einem Umfeld, das die Entwicklung von Idealen fördert und dazu ermutigt, sich gegen Unrecht in der Welt aufzulehnen. Wir stehen mitten im Leben, in das wir alle Energie stecken müssen. Wir wurden zu braven Bürgern erzogen, die existieren, um ihren Alltag zu bestreiten.

Da bleibt kein Platz für Visionen. Erst wenn uns der Alltag dazu zwingt, die Frage zu stellen, ob wir uns eine Familie samt Haus und Garten überhaupt leisten können, werden wir gezwungen, nachzudenken. Darüber, ob nicht doch eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung stattfinden muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2013)

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