Bachmann-Preis: Unverständnis für ORF-Rückzug

Streit Rueckzug BachmannPreis
Streit Rueckzug BachmannPreis(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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Der ORF will sich aus dem Wettbewerb zurückziehen, die Literaten sind entsetzt: Das bedeute den "endgültigen Bankrott". Der ORF nehme den Wettbewerb in "Geiselhaft".

Der ORF überlegt aus Kostengründen laut die Abschaffung der Tage der deutschsprachigen Literatur, kurz Bachmann-Preis, und Literaten, Journalisten und Kulturschaffende sowie Politiker protestieren. Von einer "unverschämte Provokation und Brüskierung", sprachen am Montag Gerhard Ruiss (IG Autorinnen Autoren) und Fred Turnheim (Österreichischer Journalisten Club). "Wir lassen uns die Eliminierung der letzten Reste der Kunst aus den ORF-TV-Programmen nicht gefallen." Wenn der Sender meine, mit der Übertragung des Opernballs seinen öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag zu erfüllen, habe er seinen "endgültigen Bankrott" erklärt.

Die Kosten von 350.000 Euro für den Bachmann-Wettbewerb halten die Kulturschaffenden angesichts von rund 100 Millionen Euro, die der ORF allein für Sportrechte im kommenden Jahr zusätzlich ausgebe, für "lächerlich". Vielmehr gehe es offenbar um quotenträchtigere Programmeund den Rückzug aus dem Gemeinschaftsprogramm 3sat, vermuten sie. "Wir fordern den ORF auf, seine Sport- und Unterhaltungsgelder umgehend auf den Kunst- und Kulturbereich umzuschichten", heißt es in dem Protestschreiben, für das Unterstützer gesucht werden. Der ORF müsse nicht zu internationalen sportlichen Großveranstaltungen beitragen, sondern die Grundversorgung mit kulturell hochwertigen Programmen garantieren.

ORF-Fernsehchefin "nicht zuständig"

ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner erklärte sich für "nicht zuständig". Das sei "Aufgabe der Landesdirektion", da mische sie "sich nicht drein", sagte sie im "Kurier". Dass Zechner die Verantwortung dem Kärntner Landesstudio aufbürde, sei "Sparkursmarketing und entspricht nicht der Realität", meinen Ruiss und Turnheim.

Auch die Kärntner ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard widersprach Zechners Darstellung: "Prinzipiell ist das sehr wohl eine Entscheidung von Generaldirektor Wrabetz." Sie könne mit dem gekürzten Budget den Bewerb nicht fortführen. Sie hofft auf einen "Rettungsanker" in Form der Gebührenrefundierung, die nach der Nationalratswahl im Herbst kommen könnte.

Kaiser: "Durchsichtiges Spiel" des ORF

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sieht ein "sehr durchsichtiges Spiel", er will das drohende Ende des Literaturbewerbs zum Thema der kommenden Regierungssitzung machen. Kulturlandesrat Wolfgang Waldner (ÖVP) forderte von Wrabetz die Offenlegung der für Kultur vorgesehenen Gelder. "In Kärnten werden die höchsten ORF-Gebühren bezahlt. Da ist es nur fair zu wissen, wie viel in Kärnten tatsächlich für Kulturprogramme verwendet wird."

Eine konkrete Ansage, wie der Bachmann-Preis - etwa durch das Land Kärnten - zu retten sei, wollte Kaiser vorerst nicht machen. "Das würde nur bedeuten, so manchem im ORF auf den Leim zu gehen", sagte Kaiser.

Ähnlich sieht das der für Kulturfragen zuständige Vizebürgermeister von Klagenfurt, Albert Gunzer (FPK). "Die das entschieden haben, haben die Tragweite ihres Handelns nicht erkannt", so Gunzer. Am kommenden Dienstag soll im Stadtsenat eine Petition für den Erhalt des Bachmann-Preises verabschiedet werden.

Kulturministerin: Einstellung wäre "sehr bedauerlich"

Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) fände die Einstellung "sehr bedauerlich". Es sei einer der wichtigsten Literaturpreise und genieße auch international hohes Ansehen, sagte sie. Schmied will zunächst die endgültige Entscheidung der Kärntner ORF-Landesdirektion abwarten. "Falls es beim Ausstieg des ORF bleibt, sollten sich alle Beteiligten zusammensetzen und gemeinsam darüber nachdenken, wie eine Neukonzeption des Bachmann-Preises aussehen könnte."

Preisträgerinnen fordern Fortbestehen

Die deutsche Schriftstellerin und Bachmann-Preisträgerin 1986 Katja Lange-Müller forderte im Nachrichtenmagazin "Focus", dass "Österreichs profiliertester und populärster Beitrag zur Förderung der deutschsprachigen Literatur fortbestehen" solle.

Auch Bachmann- (1998) und Büchner-Preisträgerin (2013) Sibylle Lewitscharoff setzt sich in dem Nachrichtenmagazin für eine unbedingte Fortsetzung des Wettbewerbs ein: "Das literarische Leben wäre um eine sehr öffentlichkeitswirksame Arena ärmer."

"Abschaffung wäre Nicht-Pflichterfüllung des ORFAuftrages"

Entsetzt zeigt sich die Bachmann-Preisträgerin des vergangenen Jahres, Olga Martynova, über die laufende Diskussionen um eine mögliche Abschaffung des Bachmann-Preises: "Eine Einstellung wäre eine Katastrophe, eine Schande, ein ganz falsches Zeichen", sagte die 51-jährige, in Sibirien geborene und heute in Deutschland lebende Autorin. Die Sendestunden wären ungleich billiger als alle TV-Shows und obendrein genau der Grund, warum es öffentlich-rechtliche Sender gäbe: "Eine Abschaffung wäre eine Nicht-Pflichterfüllung ihres Auftrages. Anstatt zu sparen wären daher eher Investitionen sinnvoll, um der Veranstaltung einen neuen Interessens-Schub zu verleihen."

Sie sei der Überzeugung, "dass öffentlich-rechtliche Institutionen nicht über Quoten nachdenken dürfen". Eine mögliche Einstellung des traditionsreichen Wettlesens sei "nicht nur ein Akt der Zerstörung in der Kulturlandschaft, sondern auch der Selbstzerstörung des öffentlich-rechtlichen Auftrages".

"Das ist ein erster Schritt zu griechischen Zuständen", kommentiert Literaturkritikerin und Jurorin Daniela Strigl das mögliche Aus. Sie frage sich grundsätzlich, "ob das überhaupt ernst gemeint ist. Falls ja, dann ist es eine Ohrfeige." Strigl hegt den Verdacht, dass viele in Österreich "nicht wahrhaben wollen, was der Preis vor allem im Ausland bedeutet". Dort würde die aktuelle Diskussion "als Posse wahrgenommen. Man kann es gar nicht glauben, dass der ORF von dem, wo man annimmt, dass er stolz darauf ist und was als öffentlich-rechtliches Kerngeschäft bezeichnet wird, Abstand nimmt und sich selbst beschädigt, in dem er den Bachmann-Preis in Frage stellt."

"Geiselhaft" des ORF?

Vielleicht sei es aber "nur ein Versuch, die Politik in Geiselhaft zu nehmen. Wrabetz will zeigen, was alles gefährdet ist", so Strigl. "Wenn das Kalkül ist, ist was schiefgefangen. Man muss auch schauen, wie weit man mit solchen Versuchen geht. Man fragt sich, welches Selbstverständnis der ORF noch hat als Kultursender." Die langjährige Jurorin fände es "komisch, wenn Wrabetz allen Ernstes als der Generaldirektor in die Annalen eingeht, der nach 37 Jahren den Bachmann-Preis umbringt. Noch dazu in einem Jahr, wo man 25 Jahre TV-Übertragung feiert."

"Alles, was abgesetzt wird, was der Literatur gedient hat, ist einfach zu bedauern", meint Alfred Kolleritsch, Herausgeber der "manuskripte" und seit Jahrzehnten einer der wesentlichen Fördererer junger Literaturtalente in diesem Land. Er halte zwar wenig von der Art, wie beim Bachmann-Preis "zu Gericht gesessen wird über Literatur und über Einzelne", doch sei der Bewerb "eine Form der literarischen Aktivität, in der Begegnung stattfindet", sagte er. "Wenn Autoren durch diese Maschine durchgegangen sind, können sie für sich etwas gutschreiben. Das geschieht sonst in keiner einzigen Institution in Österreich."

"Was wir brauchen, sind mehr Casting-Shows"

Zynisch zeigte sich der Schriftsteller Franzobel, Bachmann-Preisträger von 1995: "Was wir brauchen, sind Übertragungen von Reifentests der Formel Eins, Berichte von Fußballtrainings, mehr Koch- und Castingshows, Liveschaltungen zum Skiwachseln, Dschungelshows, Promis im Weltall, Musikantenstadel vom Mars", schrieb der Schrifsteller auf Facebook. "Poesie? Gespräche mit Autoren? Diskussionen über Schreibstile und literarische Richtungen? Langweilig! Fad! Das ist doch alles nicht mehr zeitgemäß. Es wird Zeit, dass die neuen Medien ihren endgültigen Sieg über die Literatur auch zur Schau stellen dürfen. Darum ja, schafft den Bachmannpreis ab und verbrennt alle Bücher, sprengt Bibliotheken und streicht den Deutschunterricht. Bravo. Und die letzten unbeugsamen Leser sperrt ins Ghetto."

Bachmann-Preis

Der Bachmann-Preis (Tage der deutschsprachigen Literatur) wird seit seiner Gründung im Jahr 1977 finanziell hauptsächlich vom ORF-Landesstudio Kärnten getragen. Mit rund 350.000 Euro wurden die Kosten für den ORF zuletzt beziffert. Eine Summe, die das Kärntner Landesstudio bei einem vorgegebenen Sparziel von rund einer Million Euro für das Jahr 2014 nicht mehr stemmen kann.

Der Bachmann-Preis fand zwar immer wieder Unterstützer, groß Einsteigen wollte aber in den vergangenen Jahren niemand. Die Landeshauptstadt Klagenfurt richtet etwa alljährlich den traditionellen Bürgermeisterempfang für die Teilnehmer aus und sorgt auch für deren Verpflegung.

Das Land Kärnten zog sich vor mehr als zehn Jahren in der Ära des freiheitlichen Landeshauptmanns Jörg Haider völlig vom Wettlesen zurück. Nach der Abwahl der FPK beteiligte sich Kärnten für das Jahr 2013 wieder mit 10.000 Euro am Wettbewerb. Der neue Kulturlandesrat Wolfgang Waldner (ÖVP) kann sich zukünftig auch noch mehr Unterstützung für die Literatur vorstellen.



Beim Wettbewerb gibt es für die Teilnehmer mehrere Preise zu gewinnen. Der eigentliche "Ingeborg-Bachmann-Preis" ist mit 25.000 Euro dotiert und wird von der Landeshauptstadt Klagenfurt gestiftet.

Zudem kommt noch der Preis des Kärntner Energieversorgers Kelag mit 10.000 Euro. Der "3sat-Preis" ist mit 7.500 Euro dotiert. Der "Ernst-Willner-Preis" in der Höhe von 5.000 Euro ist von insgesamt 20 Verlagen gestiftet. Zudem kommt noch der Publikumspreis der BKS Bank in der Höhe von 7.000 Euro. Seit 2009 vergibt Klagenfurt noch ein Stadtschreiber-Stipendium in der Höhe von 5.000 Euro, das dem Gewinner des Publikumspreises zusteht.

(APA/dpa/Red.)

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