Online-Kundenrezensionen: Gewinnbringend, nur nicht für Käufer

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Die Nutzerbewertungen bei Amazon sind praktisch, aber trauen darf man ihnen nicht: Fast ein Drittel davon ist gefälscht, bei allen Verkaufsportalen, sagen neue Studien.

Prinzipiell klingen Kundenrezensionen nach einer gewinnbringenden Idee der schönen neuen Onlinewelt: Ganz praktisch und scheinbar unvoreingenommen kann man sich von früheren Konsumenten über das Produkt informieren lassen. Denn wer könnte einen potenziellen Käufer besser beraten als andere Kunden? Die haben schließlich keine Vorteile davon.

Sollte man meinen: Ein Bericht des Deutschlandradios hat die Nutzerbewertungen beim Onlinehändler Amazon unter die Lupe genommen und festgestellt, dass eine ganze Menge davon nicht echt sind. Aber dafür gewinnbringend – für ihre Verfasser. Eine solche Autorin von Fake-Rezensionen wurde anonym interviewt: Wie viele käufliche Profi-Rezensenten hat sie mehrere fiktive Profile beim Internethändler angelegt, um unter verschiedenen Benutzernamen Bewertungen online zu stellen. Für fünf Euro schreibt sie eine positive Rezension. Und ist keineswegs die Einzige, wie der Bericht belegte.

Nicht nur Privatleute, sondern Agenturen treiben Geschäfte mit gefälschtem Kundenlob: Die „New York Times“ deckte 2012 einen Schwindel des US-Autors John Locke auf, dessen Groschenromane zu E-Book-Bestsellern wurden. Seine Taktik erklärte Locke im Sachbuch „How I Sold 1 Million eBooks in 5 Months“, er ließ jedoch unerwähnt, dass er bei der seither geschlossenen Plattform GettingBookReviews.com über 300 Rezensionen gekauft hatte. Zwölf Dollar kostet eine Buchrezension bis zu 100 Wörtern, drei Cent Aufpreis für jedes weitere Wort, erzählt ein Mitarbeiter einer vergleichbaren Agentur. Veröffentlichung auf Amazon ist im Preis inbegriffen. Dort heißt es zwar in den Leitlinien für Kundenbewertungen, dass als gefälscht erkannte Rezensionen nicht veröffentlicht werden. Dass es offenbar trotzdem passiert, kommentierte Amazon auf Anfrage nicht.

„Sie profitieren von positiven Rezensionen, egal, ob echt oder Fake“, meint Forscher Bing Liu von der University of Illinois in Chicago, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt: Sieht ein Kunde viele Fünf-Sterne-Bewertungen, wird er wahrscheinlich kaufen. „Deshalb tun sie auch nicht viel, sie suchen nicht aktiv nach Fake-Bewertungen“, so Bing Liu. Und das gelte für alle Portale, die Waren oder Dienstleistungen verkaufen. Er kenne Unternehmen, die solche Fälschungen aufdecken, berichtet Liu: Im Schnitt enttarnen sie 15Prozent aller Bewertungen als „Fakes“, aber die Dunkelziffer schätzt er doppelt so hoch ein. Liu analysiert mit Computeralgorithmen, vor allem die Sprache der Rezensionen lässt ihn Fälschungen erkennen: gehäufte Werbungs-Formulierungen, Wiederholungen des Produktnamens oder – bei Büchern – die Wiedergabe des Klappentextes. Vergleicht man im Netz, findet man bestimmte Bewertungen bei verschiedenen Händlern unter diversen Usernamen in identischer Form: wie Werbekampagnen, aber getarnt als vermeintlich individuelle Beiträge.

Mit einem Umsatz von 6,5 Milliarden Euro ist Deutschland nach den USA der zweitwichtigste Markt für Amazon. Die Vormachtstellung hat man durch Onlinevorteile (wie Kundenbewertungen) und aggressive Dumping-Preispolitik erreicht. Eine aktuelle Sommeraktion sieht die Zeitung „Die Welt“ als Angriff auf die Buchpreisbindung, die zwar für gedruckte, aber nicht für elektronische Bücher gilt. E-Books des hauseigenen Imprints Amazon Crossing werden um zwei Euro verkauft. Bücher von John Locke sind übrigens nicht dabei.

E-Mails an:christoph.huber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2013)

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