Morddrohungen wegen Jane Austen

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Eine Feministin wird auf Twitter bedroht, weil sie sich für Jane Austen auf der Zehn-Pfund-Note engagiert hat. Großbritannien diskutiert: Wo sind die Grenzen der Freiheit im Netz?

Was haben die eigentlich für ein Problem? Fragt der Kollege. Was kann einen denn daran stören, wenn auf der Rückseite der Zehn-Pfund-Note in Hinkunft das Bild einer Frau zu sehen ist? Noch dazu in Großbritannien, einem Land, das an weibliche Konterfeis gewöhnt sein sollte, ziert doch die Queen die Vorderseite jedes Scheins! Und was kann man gegen Jane Austen haben?

Nichts. Das Problem ist nicht Jane Austen. Eine gut organisierte Gruppe von Männern fühlt sich schlichtweg angegriffen, weil eine Feministin sich durchgesetzt hat: Caroline Criado-Perez, eine britische Journalistin, hatte monatelang dafür gekämpft, sie hat geschrieben, getwittert, Aufrufe verfasst – und hat es am Ende geschafft: 2017 kommt Charles Darwin weg, Jane Austen ersetzt ihn.

Mittwoch wurde diese Entscheidung bekannt gegeben, in der Folge trudelten bei Caroline Criado-Perez Glückwünsche ein, aber auch – nach und nach immer heftiger werdende – Drohungen und Schmähungen via Twitter: Man müsse ihr richtig was in den Arsch stoßen, dann ginge es ihr wieder besser, meinte einer, ein anderer will sie an den Herd fesseln, wieder ein anderer lädt seine Kumpane ein, ihm in den „Vergewaltigungszug“ zu folgen. Nicht alle Drohungen sind so offensichtlich, andere sind hinterfotziger: „I hope you get fired. Not raped. You'd like that.“

Hunderte Tweets ähnlichen Inhalts erhielt die Journalistin von solchen Trollen. Trolle nennt man jene, die im Netz schmähen, drohen, beleidigen, sie tauchen in Foren auf und reißen die Diskussion an sich, sie verunsichern Blogger, sie verbreiten ihre kruden Thesen und ihren Hass via Facebook und Twitter. „Don't feed the trolls“, heißt es deshalb: Man ignoriert sie oder blockt sie, und der Angriff geht vorbei, so die These. Und das funktioniert auch, solange das, was im Netz passiert, im Netz bleibt. Im Netz ist Criado-Perez stark: 21.000 Follower, das bedeutet Einfluss. Dagegen sind ihre Angreifer regelrechte Twitter-Dilettanten, die gerade einmal eine Handvoll Gleichgesinnter erreichen. Hätte die Journalistin ihre Tweets nicht weitergeleitet und/oder beantwortet, sie wären ungehört im Netz verhallt.

Doch in diesem Fall geht es nicht nur um die Reputation online, um den Austausch von Meinungen oder um einen eskalierenden Disput, den man so gerne Shitstorm nennt. Nein, binnen Stunden kursierte die Adresse der Journalistin im Netz, es war zwar die falsche, trotzdem ist das bedrohlich. Der Staat hat denn auch prompt gehandelt: Noch am Sonntag wurde einer der Rädelsführer festgenommen. Was er tat – mit Mord und Vergewaltigung drohen – ist nämlich im echten Leben strafbar.

Die Betreiber von Twitter sind da zögerlicher. Caroline Criado-Perez hat jetzt einen Button gefordert, mit dem man solche Hass-Tweets melden kann. Die „Times“-Kolumnistin Caitlin Moran (437.000 Follower) ist ihr beigesprungen und hat einen Aufruf gestartet: Sollte der Missbrauchs-Button nicht kommen, will man am 4.August Twitter boykottieren.

E-Mails an: bettina.steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2013)

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