George V. Higgins: Balzac von Boston

„Ich töte lieber sanft“
„Ich töte lieber sanft“(c) beigestellt
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Der 1999 verstorbene Bostoner Krimiautor war ein "Meister des Dialogs". Er geriet in Vergessenheit. Nun ist eines seiner wichtigsten Bücher endlich erstmals auf Deutsch erschienen.

Der im August verstorbene Krimigroßmeister Elmore Leonard gilt als „Meister des Dialogs“. Nur wenige wissen, dass auch er einen Lehrmeister hatte: George V. Higgins. „Higgins ist mein Favorit. Er lernte nicht von mir, ich lernte von ihm“, sagte Leonard einmal.

In der im Vorjahr erschienenen Krimianthologie „Books to Die for“ erklärte er, was er damit meint: „Ich habe von George Higgins gelernt, zu entspannen, nicht so streng bei dem Versuch zu sein, Prosa wie Geschriebenes klingen zu lassen, sowie mehr auf den Rhythmus der rauen Sprache und die Verwendung von Obszönitäten zu achten.“ Higgins habe ihm gezeigt, wie man direkt in Szenen einsteige, ohne Zeit zu vergeuden. Seine Lehre: Es sei nicht notwendig, jedes Mal die Örtlichkeiten zu beschreiben, die Position der Charaktere sowie deren Aussehen zu erklären.

Das nun im Verlag Antje Kunstmann erstmals auf Deutsch erschienene Buch „Ich töte lieber sanft“ hat Higgins bereits im Jahr 1974 geschrieben. Bis heute hat es aber nichts an Eindringlichkeit verloren. Das liegt an Higgins' exzessivem Einsatz von Dialogen. Seine Charaktere reden und reden und reden. Das mag man als oberflächliches Geplapper abtun, doch wer genau hinhört, der kann erkennen, wie eine Higgins-Figur nach der anderen enttarnt wird.

Keine Supergauner. Für Higgins sind Verbrecher ganz normale Menschen. Sie sind keine findigen Supergauner, die raffinierte Coups planen. Sie sind oft banale Typen, die sich nicht einmal als Sympathieträger eignen. Denn dafür sind sie zu durchtrieben und allzu fest in der kriminellen Welt verankert.

Und sie haben in „Ich töte lieber sanft“ vor allem einen Fehler. Sie halten sich für schlau. „Vergiss nicht: Ich weiß, wie diese Leute ticken“, sagt da Amato, der zwei Kleinganoven vom großen Coup überzeugen will. Auch er befindet sich in der Nahrungskette nur eine Stufe über den beiden Verlierern, will das aber nicht wahrhaben. „Sie werden gar nicht auf die Idee kommen, dass wir oder sonst jemand dahintersteckt. Sie werden an einen ganz bestimmten Typen denken, und sie werden ihn sich vornehmen und durch die Mühle drehen, und das war's dann.“ War es eben nicht, wie Amato leidvoll erfahren wird.

Der bereits 1999 verstorbene Higgins stammte aus Boston. Er war Anwalt und vertrat Watergate-Verschwörer G. Gordon Liddy und „Black Panther“ Eldridge Cleaver vor Gericht. Lange war er vergessen, doch nun wird er nicht nur im deutschsprachigen Raum wiederentdeckt. Andrew Dominik hat im Vorjahr sein Buch mit Brad Pitt in der Hauptrolle („Killing them softly“) verfilmt. Higgins wurde übrigens bereits zu Lebzeiten als „Balzac von Boston“ bezeichnet, während man Elmore Leonard den „Dickens von Detroit“ nannte. Beide Autoren dürften von dieser Etikettierung wenig gehalten haben. Leonard meinte dazu: „Ich frage mich, wer ich geworden wäre, hätte ich in Chicago gelebt.“


Gute Nachrichten für Fans. Übrigens: Mit „Die Freunde von Eddie Coyle“ erscheint im Jänner 2014 ein weiteres Buch von Higgins, das US-Kultkrimiautor Don Winslow („Tage der Toten“, „Kings of Cool“) zu den besten fünf Kriminalromanen zählt und von dem Elmore Leonard sagte, es sei „der beste Kriminalroman, der je geschrieben wurde“.

Neu Erschienen

George V. Higgins
„Ich töte lieber sanft“
übersetzt von
Dirk van Gusteren
Antje Kunstmann
239 Seiten
15,40 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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