Paco Roca: Der Zeichner als Schauspieler

Paco Roca
Paco Roca (C) Paco Roca.
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Spaniens Comicstar gastiert bei der Frankfurter Buchmesse. Vorab erzählte er der „Presse“ über sein Erfolgsbuch „Kopf in den Wolken“, Altersheime und Kämpfernaturen.

Ich bin mir meines großen Glücks bewusst“, meint der spanische Comicautor Paco Roca bescheiden: „Von der Kultur leben zu können, ist in jedem Land ein Glücksfall. In einem krisengebeutelten Land wie Spanien, in dem noch dazu wenig gelesen wird, ist es umso schwieriger. Und die Comics zu machen, die man will, ohne Superhelden und unabhängig von der frankobelgischen Branche: Das ist ein echtes Wunder.“ Das Wunder des Erfolgs für den 44-jährigen Star unter Spaniens ernsthaften Comicautoren ist nun auf Deutsch nachzuvollziehen: Bei der Frankfurter Buchmesse präsentiert Paco Roca am Freitag „Kopf in den Wolken“, die Übersetzung seiner Graphic Novel „Arrugas“ („Falten“), die 2007 Kritik und Publikum in großen Teilen Europas begeisterte.

Alzheimerporträt ohne Gefühlsduselei

Und das trotz eines schwierig wirkenden Sujets: „Kopf in den Wolken“ folgt dem ehemaligen Bankdirektor Emilio ins Altersheim. Er driftet öfter in Visionen aus der Vergangenheit ab: die ersten Alzheimersymptome. Es wird zu anstrengend für seine Kinder, aber im Zimmergenossen Miguel, der Schmäh führt und unlautere Geschäfte macht, findet Emilio einen neuen Freund. Die beiden versuchen, Emilios Gedächtnisverlust vor den Pflegern zu kaschieren: Denn wer in die geschlossene Abteilung für demente Fälle verlegt wird, kehrt nie mehr zurück...

„Die besondere Schwierigkeit bestand darin, den richtigen Ton für die Geschichte zu finden“, erklärt Roca: „Ich hatte Angst, sie könnte zu schwermütig oder gefühlsduselig geraten.“ Aber „Kopf in den Wolken“ ist bewegend, jedoch unsentimental, auch in seiner Poesie und seinem Witz. Roca suchte „ein Gleichgewicht zwischen harter Realität und humorvollem Optimismus“, lange recherchierte er in Altersheimen und erlebte vieles, was er weglassen musste, weil es das angestrebte Gleichgewicht erschüttert hätte: „Selbstmorde, jahrelang bettlägerige Senioren... das hätte die Geschichte zwar realistischer gemacht, aber von meinem eigentlichen Thema abgelenkt: ,Kopf in den Wolken‘ handelt in erster Linie von Einsamkeit.“

Aufbegehren gegen das System

Sicherlich verdankt sich Rocas Erfolg nicht nur der stilistischen Meisterschaft seiner klaren Linie, sondern auch dieser Universalität des Zugangs: Seine großartige Graphic Novel „Der Winter des Zeichners“ über ein Aufbegehren von spanischen Comiczeichnern in der Franco-Diktatur gewann einem fernen Thema aktuelle Parallelen ab. „Es geht auch um die Würde des Autors, sein Aufbegehren gegen das System, das die Rechte an seinem Werk kontrolliert“, so Roca: Nun gehe diese Kontrolle durch das Internet verloren.

Rocas Bücher bestechen nicht nur durch einen speziellen tragikomischen Ton, sondern auch durch seine Genauigkeit und seinen persönlichen Zugang: „Alle Figuren basieren auf Menschen, die ich in diversen Altersheimen kennenlernte. Aber sie weisen selbstverständlich alle auch Elemente von mir selbst auf: wie bei einem Schauspieler.“ Roca schätzt überhaupt filmische Ideen, das zeigt etwa die pointierte Schilderung eines Tages (und damit aller Tage) im Altersheim auf zwei wortlosen Seiten. In Filmen wie „Amour“ ist das Thema inzwischen auch salonfähig geworden, das war noch nicht so, als Roca sein Buch anging, „weil ich das Altern und meine Eltern verstehen wollte“.

„Hinter einem Comic steckt ein langer, zeitraubender Arbeitsprozess, also bemühe ich mich um Themen, die mich in all dieser Zeit begeistern werden“, erklärt Roca seinen Zugang: „Dabei will ich aber auch dazulernen und mich dank anderer Sichtweisen bereichern. Deshalb suche ich wohl Geschichten über Menschen mit Kämpfernatur.“

ZUR PERSON

Paco Roca (*1969, Valencia) ist der Erfolgsautor unter Spaniens seriösen Comicschöpfern: In den 1990ern lebte er von Auftragsarbeiten für diverse Magazine, 2001 folgte ein Comic über Dracula und Dalí. Der Durchbruch kam mit dem Comic „Arrugas“ (2007), er wurde nun übersetzt.

Als „Kopf in den Wolken“ ist der Band bei Reprodukt erschienen (104 S., 18 Euro), am Freitag gastiert Roca bei der Frankfurter Buchmesse, um ihn vorzustellen. Ebenfalls auf Deutsch bei Reprodukt erhältlich ist Rocas historische Graphic Novel „Der Winter des Zeichners“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)

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