Mit Peter Handke durch die Schluchten des Balkan

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Handke wurde als Ehrenmitglied der Serbischen Akademie der Wissenschaften gefeiert. Bericht von einer herbstlichen Reise.

Welche Freude, mit Peter Handke zu einer herbstlichen Reise auf den Balkan aufzubrechen! Bereits nach Ostern war Handke in Belgrad zum Ehrenmitglied der „Serbischen Akademie der Wissenschaften“ ernannt worden, die Feier dazu fand am vergangenen Wochenende in Banja Luka statt.

Pünktlich war das Flugzeug zu Mittag aus Paris in Zagreb gelandet, mit dem Auto – von Graz aus ist man nun schneller am Flughafen Zagreb als in Schwechat! – ging es weiter nach Banja Luka, nachsommerlich blauender Himmel über der leuchtend-herbstlich gefärbten, weiten Save-Ebene, und vor der Ankunft schon zwei gemeinsame Mahlzeiten: südlich von Zagreb Schinken, Käse, Fisch und die aus den Wäldern von Chaville mitgebrachten köstlichen Steinpilze, in einem Vorstadtgasthaus von Banja Luka dann abends ein knuspriges Lamm direkt vom Spieß, weiches weißes Brot und immer Wein dazu, weißen, frischen und südlichen. Am Sonntag, morgens beim Kaffee im Freien vor dem Hotel, spürt man, dass die Anwesenheit Handkes von vielen wahrgenommen wird, Leser kommen einfach vorbei, um sich in ihre Bücher Signaturen geben zu lassen. In ihren Augen und ihrem Gebaren kann man warme Sympathie spüren und den Dank, dass ihnen Handkes Sprache ihren Stolz und ihre Würde wiedergegeben hat, zumindest einen wichtigen Teil. Mittags dann das Festbankett im Kreise der „Akademiker“ von Banja Luka, umkränzt von Lobsprüchen und Quittenschnaps, im Anschluss, draußen auf der Terrasse der alten, verwitterten Monarchie-Festung, direkt über dem rauschenden Vrbas, ein langes Interview mit einem Team einer Zeitung aus Belgrad, die ein Jubiläum mit einem langen Gespräch mit Handke feiert.

Ebenfalls auf dem Programm stand ein Besuch der germanistischen Fakultät der Universität, einer modernen Campus-Uni, die man auf dem Gelände einer alten Kaserne errichtet hat, denn in Bosnien-Herzegowina gibt es seit dem Krieg keine Wehrpflicht mehr. Bei einem Vortrag vor Studierenden spürte man die Aufmerksamkeit und wache Kenntnis der dortigen Handke-Leser, die man in unseren Breiten als akademischer Lehrer meist schmerzlich vermisst.

Innige Stimmung im Theater

Abends im Theater eine Neufassung von Handkes „Warum eine Küche?“, eine Mischung aus Sprechstück und Pantomime, die er vor zehn Jahren für den in Frankreich lebenden, aus Sarajewo stammenden Mladen Materić geschrieben hatte. Auch hier Fernsehteams, Autogrammjäger, gespannte Aufmerksamkeit über beinah zwei Stunden hinweg. Unvergesslich berührend bleibt die Szene kurz nach der Aufführung, als das gesamte, junge Schauspielerensemble sich so spontan wie freudig bei Handke für sein Stück bedankte, an dem es gerade mitgewirkt hatte. Nein, Balkan-Idealisierung hin oder her, eine so warme, dankbare, ja innige Stimmung vermögen ein Autor und seine Sprache an heimischen Bühnen nie und nimmer mehr auszulösen.

Am Montag ein Ausflug in das etwa 80 Kilometer südlich gelegene Jajce, es geht tatsächlich durch die wilden Schluchten des Balkan in jenen Ort, an dem am 29.11. 1943 die Gründung des zweiten Jugoslawiens beschlossen wurde. Ob man nun mit Peter Handke meint, dass dieser Staat eine mutwillig von außen zerstörte, einmalige Chance für Europa war oder ob man den Zerfall dieses staatlichen Gebildes anders einschätzt – einige, wenn auch nur kurze herbstliche Tage mit Peter Handke in Banja Luka lassen den Reisegefährten glücklich und im besten Sinn des Wortes nach-denklich zurück.


Prof. Harald Haslmayr lehrt Musikästhetik an der Universität Graz und schreibt Musikkritiken für die „Presse“. In Banja Luka hielt er einen Vortrag über „Das Harmonische im Werk Peter Handkes“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2013)

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