"Schöne Witwe" siegt im Suhrkamp-Streit

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Erzfeind zurückgedrängt. Zehn Jahre lang hat Ulla Berkéwicz den Unternehmer Hans Barlach mit allen Mitteln bekriegt, nun hat sie ihr Ziel erreicht. Die Gute gegen den Geldmenschen? Nicht ganz.

Schmutzig ging es schon lange her hinter den Kulissen jenes Verlags, der wie kaum ein anderer für große deutsche Literatur steht. Und die Dinge, die sich da abspielten, sind der Stoff von Tragödien: Da war die ewig betrogene Ehefrau (von Verlagsleiter Siegfried Unseld), ihr Sohn Joachim, der mit dem Vater brach – und bis aufs Blut die neue „böse Stiefmutter“ bekämpfte.

Die hieß Ulla Berkéwicz und steht seit Unselds Tod 2002 im Zentrum aller Suhrkamp-Kriege. Als die schöne, auch schreibende Schauspielerin sich zur (inhaltlich tüchtigen) Verlagsleiterin aufschwang, hatte sie bald mächtige Gegner, Suhrkamp-Führungskräfte, aber auch Autoren wie Martin Walser, der sogar den Verlag verließ. Der österreichische Autor Norbert Gstrein hat ihr in seinem machohaften Schlüsselroman „Die ganze Wahrheit“ 2010 ein hässliches Denkmal gesetzt, als vulgäre, hexenhafte „Stute“.

Ein „apokalyptischer Endkampf“

Das hat sie leicht überlebt und jetzt auch noch einen anderen Mann besiegt: ihren Erzfeind Hans Barlach. Seit sieben verflixten Jahren hält der Enkel des Bildhauers Ernst Barlach, ein Galerist und Medienunternehmer, Anteile am Suhrkamp Verlag. Und seitdem ist auch der Krieg um die „Festung Suhrkamp“ zu einem Pingpong aus Klage und Gegenklage, zu einem „apokalyptischen Endkampf“ („Welt am Sonntag“) eskaliert, der offenbar nur noch der Logik von Machtgier und Hass folgte, und in dem beide Seiten den Verlag aufs Spiel setzten.

Gesiegt hat die „schöne Witwe“, wie Ulla Berkéwicz gern genannt wird. Sie ließ den Verlag absichtlich zahlungsunfähig werden, um ihn gegen Barlachs Willen in eine Aktiengesellschaft umwandeln zu können. Damit kann sie neue Gesellschafter hereinholen und Barlachs Mitspracherecht zurückdrängen. Ihr Schachzug ist aufgegangen: Am Dienstag billigten die Gläubiger den Insolvenzplan. Damit sind nach zehn Jahren ein Ende des Suhrkamp-Streits und neue Gesellschafter in Sicht. Als Kandidat gilt etwa der Deutsche Taschenbuch Verlag, hinter dem Hanser und C.H.Beck Verlag stehen.

Die Kollateralschäden bleiben. Skrupelloser Geldmensch versus verantwortungsvolle Erbin, so wurde der Streit gern dargestellt. Aber Kritiker werfen der Suhrkamp-Herrin vor, durch selbstherrlichen Führungsstil und Kompromissverweigerung Barlachs Einstieg erst ermöglicht zu haben (ein sich herausgemobbt fühlender Geschäftsführer verkaufte seine Anteile an ihn).

Villenräume an den Verlag vermietet

Außerdem lieferte sie Barlach Munition, indem sie einen Teil der von ihr luxuriös umgebauten Villa um 6600 Euro monatlich an den Verlag vermietete. Schließlich warf ihr kürzlich eine Richterin vor, mit ihrer Insolvenzstrategie „grob treuwidrig“ gehandelt und die Firma schwer gefährdet zu haben.

Aber die meisten Autoren waren auf ihrer Seite und riefen zuletzt zur Annahme des Insolvenzplans auf. Darunter Friederike Mayröcker, die vor wenigen Tagen zu „News“ sagte: „Ich würde Suhrkamp nie verlassen, ich bin mit Ulla Berkéwicz befreundet und bleibe ihr treu, was immer da passiert.“ (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2013)

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