Bücherjahr 2014: Viel Zeit für Geschichte

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Im neuen Bücherjahr wagen sich viele Literaturverlage an die großen historischen Themen des 20.Jahrhunderts. Gute Nachrichten für Leserinnen und Leser, die gern schmökern.

Das Bücherjahr 2014 geht in die Geschichte ein. Sprichwörtlich: Es ist vermutlich dem Weltkriegsjubiläum geschuldet, dass in den Frühjahrsprogrammen der Verlage eine große Zahl an Romanen mit historischen Bezügen zu finden ist. Wohlgemerkt, es sind nicht nur Bücher über den Ersten Weltkrieg (eine Auswahl wird an dieser Stelle nächste Woche vorgestellt), sondern man widmet sich den großen Ereignissen des 20. Jahrhunderts.

Im März erscheint etwa Szczepan Twardochs „Morphin“. Der Roman wurde in Polen von der Kritik als expressives Meisterwerk und seiner präzisen Konstruktion wegen hochgelobt. Darin schildert der junge Autor das Schicksal eines polnischen Leutnants, der sich 1939 dem Widerstand anschließt und Tage und Nächte zwischen Heldentum und Zerstörung erlebt. Etwas leichter verträglich dürfte Michael Ziegelwagners „Der aufblasbare Kaiser“ (März) sein: Darin beschreibt der gebürtige Niederösterreicher, Redakteur beim deutschen Satiremagazin „Titanic“, die monarchistischen Anwandlungen der Vera Beacher, die sich durch das Drücken einer falschen Klingel in eine kaiserliche Geheimloge katapultiert.

Eine Partisanengeschichte aus weiblicher Perspektive erwartet uns aus Bulgarien: Der Roman „Schneeweißchen und Partisanenrot“ des Satirikers Alek Popov erscheint im März. Evelina Jecker Lambreva erzählt in „Vaters Land“ (Februar) aus der Perspektive einer Auslandsbulgarin über das Land ihres Vaters – und dessen autoritäre Vergangenheit. „Winterkinder“ hingegen schreibt russische Familiengeschichte: Stalins Säuberungen, der Kalte Krieg, erzählt von Owen Matthews, der sich daranmacht, die Historie seiner Familie aufzudecken. Gunnar Cynybulk erzählt in „Das halbe Haus“ (März) von einer zersplitterten Familie zwischen Schwarzem Meer, DDR und der BRD.


Verschwundenes neu entdeckt. Auffällig ist auch die große Zahl von Neuveröffentlichungen alter oder verschwundener Manuskripte. Herausstechen dürfte darunter Elisabeth de Waals Roman „Donnerstags bei Kanakis“ (Februar): ein Wiener Nachkriegspanorama, verfasst von der Großmutter Edmund de Waals, der mit „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ Furore machte. Ebenfalls neu entdeckt: „Mich hungert“ von Georg Fink (Februar), ein Buch, das 1929 erschien und das Elend der Nachkriegszeit schildert, und „Die rote Lilie“ des Schweizers Blaise Cendrars – Memoiren über den Ersten Weltkrieg.

Panorama der US-Gesellschaft. Aus den USA sind einige Übersetzungen bekannter Autoren und Autorinnen zu erwarten, so zum Beispiel Jonathan Lethems „Der Garten der Dissidenten“ über eine Familiensippe von Dissidenten im New Yorker Stadtteil Queens (Februar). Die New Yorker Autorin A.M. Homes legt mit „Auf dass uns vergeben werde“ einen Roman über die Familie im Zeitalter der Zerrissenheit vor (März). Siri Hustvedt widmet sich in Essays unter dem Titel „Leben, Denken, Schauen“ der Psychologie, Psychoanalyse und Neurowissenschaft. Und Michael Chabon erkundet in „Telegraph Avenue“ (April) den Wandel der amerikanischen Popkultur und Kulturindustrie am Beispiel der kauzigen Besitzer eines Plattenladens.

Auch von afroamerikanischen Autoren gibt es neue Werke, die einen historischen Bogen spannen. Da wäre die Familiensaga „Zwölf Leben“ (Mai) von Ayana Mathis, die einer Mutter mit zwölf Kindern auf ihrer „Great Migration“ aus dem Süden in den Norden der USA folgt: ein Roman in Einzelporträts, die sich über das ganze 20. Jahrhundert ausweiten. Auch Starautorin Toni Morrison veröffentlicht mit „Heimkehr“ (März) den zweiten Teil ihres Zyklus, in dem sie anhand der Schicksale ihrer Protagonisten – hier des unsteten Frank „Smart“ Money – die soziale Situation der Schwarzen im 20. Jahrhundert ausleuchtet. Und die britische Autorin Zadie Smith beschreibt in „London NW“ den Alltag von vier jungen Menschen im multikulturellen Nordwesten Londons. Zumindest darauf müssen ihre Fans nicht mehr lange warten: Das Buch erscheint bereits am 9. Jänner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2013)

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