Philosophicum Lech: Das Ich und seine Verantwortung

(c) Zsolnay Verlag
  • Drucken

Im September wird in Lech über Schuld und Sühne diskutiert.

Das Philosophicum Lech verzeichnete 2013 einen Besucherrekord. Weshalb das Vorjahresthema „Ich. Der Einzelne in seinen Netzen“ so viele Menschen nach Lech zog, dazu hat der Philosoph und Leiter der Tagung, Konrad Paul Liessmann, eine These: „Wenn es ums Ich geht, meint jeder, damit kenne er sich aus. Auf der anderen Seite würde fast niemand von sich behaupten, er wisse, wer er ist.“ Ein Spannungsverhältnis, das neugierig machte. Das 18. Philosophicum (17. bis 21. September 2014), auf das eine Veranstaltung am Montag im Mumok einstimmte, betrachtet das Ich nun unter einer neuen Perspektive. „Was passiert, wenn das Ich etwas tut, was anderen missfällt? Wenn man diese Fragen stellt, ist man von ,Schuld und Sühne‘ nicht mehr weit entfernt“, sagt Liessmann. Und genauso lautet auch das Thema für 2014.

Der Subtitel „Nach dem Ende der Verantwortung“, mag manchen irritieren. Aber wer Liessmann kennt, weiß, dass er die Provokation liebt. „Vielleicht sind wir ja gar nicht verantwortlich für unser Tun. Bei unserer Tagung im Herbst werden wir darüber diskutieren.“ Wie anregend so ein Dialog sein kann, davon konnten sich die Besucher ein Bild machen. Der Schriftsteller und Initiator des Philosophicum Lech, Michael Köhlmeier, überraschte Liessmann mit einer Geschichte, die nur eine Auflage zu erfüllen hatte: Sie sollte eine Brücke zum Vorjahresthema bauen. Worin die Verbindung besteht, hatte wiederum Liessmann ad hoc zu erkennen und vor allem philosophisch zu interpretieren.

Die verbotene Frucht

Köhlmeier erzählt von Adam, Eva und dem Baum der Erkenntnis, und zwar nicht einfach das, was sich in der Bibel findet, sondern in unbekannten Apokryphen. Liessmann tut sich dennoch nicht schwer: „Indem sie entscheiden, das zu tun, was ihnen Gott verboten hat, nämlich eine Frucht von dem Baum zu essen, bekommen sie ein Selbst, ein Ich“, sagt Liessmann. Hätten sich die beiden Gottes Willen konform verhalten, wir lebten noch im Paradies, hätten aber kein Ich.“ Nachdem Gott an Adams und Evas Fehlverhalten eine Sanktion geknüpft hat („Ihr werdet sterben, wenn ihr davon esst“), müssen die beiden erstmals erfahren, dass ihr Handeln Konsequenzen hat.

Was Schuld und Sühne heißt, erfahren auch ihre Kinder. Kain erschlägt Abel und muss fortan mit einem Mal gezeichnet völlig isoliert sein Leben fristen. Kann man sich eine schlimmere Strafe vorstellen? Info: www.philosophicum.com (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.