Ein gebürtiger Türke, der "heiliges Deutschland" sagt

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Katzenkrimi-Autor Akif Pirinçci lästert über den "irren Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer". Sein Buch hat rasenden Erfolg.

Zu den Dingen im Buch „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“, die man so genau gar nicht wissen wollte, gehört eine Anekdote über den schwulen Filmregisseur Rosa von Praunheim: Er habe einst in der Harald-Schmidt-Show erklärt, er komme aus der „Sauna“ und habe ein „vollgespritztes Kondom“ auf den Tisch gelegt, was mit großem Gelächter quittiert worden sei.

Autor Akif Pirinçci ist sicher: „Ich war auch mal in der Harald-Schmidt-Show. Hätte ich nur die leiseste Andeutung gemacht, dass ich aus dem Puff komme und ein von mir vollgemachtes Kondom hingelegt“, mit seiner gesellschaftlichen Existenz wäre es aus gewesen. Damit hat er wohl recht. Allerdings buhlt Pirinçci nun als Kurzzeit-Aufreger und angeblich vom ZDF Zensurierter (das ZDF kürzte das Interview mit ihm und strich „rechtlich problematische Stellen“) ganz ähnlich um Aufmerksamkeit wie Praunheim – nur bei einer anderen Klientel. Und das von ihm kritisierte „Messen mit zweierlei Maß“ kommt ihm dabei zugute.

Denn wer hätte einem gebürtigen Deutschen zugehört, hätte dieser geschrieben: „Wir, die starken deutschen Söhne und Töchter, stehen vor und hinter dir [...] Deutsche, dies ist euer Land! Es gehört keinem anderen als euch! Es lebe das heilige Deutschland! Das ist kein Circus Roncalli.“

Wer ist wir? Alle, die fleißig und angepasst sind, heterosexuell (oder zumindest schön leise bleiben) und nicht grün, denn, so Pirinçci: „Grüne Deutsche, verlasst unser schönes deutsches Land, hier habt ihr genug Unheil angerichtet.“ Die Sache mit dem Umweltschutz sei nur Schwachsinn und Lüge, man könne mit Wind und Sonne „nicht mal für ein Dorf“ genug Energie erzeugen. Den Lesben sagt er: „In der Regel siehst du aus wie ein komischer Mann oder eine vermännlichte komische Frau.“ Sie mögen sich mit ihrem „absonderlichen Look“ wenigstens nicht öffentlich produzieren, sondern: „Pack deine Siebensachen und verschwinde wieder in dein lesbisches Reich. Niemand wird dich in unserem vermissen.“ Die „deutsche Frau“ belehrt er: „Deine vornehmste Aufgabe ist es, deinem liebenden Mann Kinder zu gebären [...] Keif nicht mit ihm, dann ist er auch gut zu dir.“ Die traditionelle Familie sei „sakral“ – was immer das heißt, Pirinçci ist nicht religiös.

Diana Verlag

„Deutschland von Sinnen“ war am Dienstag Nummer eins der Amazon-Bestseller. Ein Grund dafür ist wohl ein merkwürdiger Glaube: Wenn ein gebürtiger Türke über türkische Zuwanderer schimpft, sei das automatisch interessanter, berechtigter, richtiger. Dabei sieht sich Pirinçci als hundertprozentig untürkisch und deutsch. In seinem Erstling, „Tränen sind immer das Ende“, schrieb er Plenzdorfs Roman „Die Leiden des jungen W.“ weiter; seine erfolgreichen Katzenkrimis waren von E.T.A. Hoffmanns „Kater Murr“ inspiriert. Erzählen, lästern, (vulgär) unterhalten kann er gut, spätere Romane wurden holprig und platt durch den Wunsch nach „mehr“ – nach großen Thesen, Gesellschaftskritik (etwa in „Yin“, wo Pirinçci eine nach einer Katastrophe männerfreie Gesellschaft imaginiert).

Jetzt hat er wieder Erfolg. Pirinçci, schreibt der deutsche Journalist Alexander Kissler darüber, ist „das außerparlamentarische Sprachrohr der Frust- und Normaldeutschen, die sich marginalisiert, düpiert, ausgeplündert sehen... Wäre nicht etwas faul im Staate Deutschland, fände Pirinçci keinen derart großen Widerhall.“

E-Mails an:anne-catherine.simon@diepresse.com

Lichtschlag in der Edition Sonderwege

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2014)

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