Sue Townsend: Die Schöpferin von Adrian Mole ist tot

Sue Townsend (1946 bis 2014).
Sue Townsend (1946 bis 2014).(c) APA/EPA/BEN MCMILLAN / PENGUIN G (BEN MCMILLAN / PENGUIN GROUP / H)
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Die britische Schriftstellerin Sue Townsend starb mit 67 an den Folgen eines Schlaganfalls.

Er war ein Gast, aus einer Zeit, als jeder Brite in einem Loft wohnen wollte, seinen lauen Tee mit Milch durch einen trendigen Frappuccino ersetzt hatte und das Paarungsverhalten den Triumph der Mittelklasse im Klassenkampf erbrachte. Adrian Mole, der Held der Romane von Sue Townsend, wollte all das sein, und weil er es eben doch nie ganz wurde, wuchs er Millionen Lesern weltweit ans Herz. Seine Schöpferin starb in der Nacht auf Freitag an den Folgen eines Schlaganfalls im 68. Lebensjahr.

Man kann die insgesamt acht Bücher über das Leben Adrian Moles als Entwicklungsroman lesen. Aber so ernst hat sich Townsend selbst nie genommen. Lieber arbeitete sie mit der feinen Klinge des Humors. Im ersten Buch („The Secret Diary of Adrian Mole, Aged 13 ¾“), das ihr 1982 den Durchbruch bescherte, ist er ein Jugendlicher, der im Geist der Thatcher-Ära nach oben strebt. Im letzten („The Prostrate Years“, 2008) ist er ein Mann jenseits des besten Alters, hat gerade Prostatakrebs überstanden und laboriert wie Millionen seiner Landsleute an der Enttäuschung über die Blair-Jahre. Der amüsante Stil Townsends machte ihre Satire einem Millionenpublikum zugänglich.

Damit wurde sie reich, aber sie vergaß nie „die Zeit, als ich meine Kinder allein mit einem Suppenwürfel und einer Dose Erbsen durchzubringen hatte“. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann mit 22 Jahren und drei Kindern arbeitete sie unter anderem als Tankstellenwärterin und in einer Lebensmittelfabrik. Townsend lernte erst mit acht Jahren lesen, flog mit 15 von der Schule, begann aber damals schon mit dem Schreiben – jahrelang für die Schublade.

Sie stammte aus Leicester und blieb der mittelenglischen Stadt ihr Leben lang verbunden. Mit Adrian Mole darf der Leser miterleben, wie das Fieber der Gentrifizierung die Stadt erfasst, die hübsch anzusehen sein mag, vor allem aber einen Haufen Schulden auftürmt. Es ist nicht eine Sehnsucht nach einer „guten alten Zeit“, die Townsend beschwört, denn sie weiß nur zu gut, dass sie auch nicht besser war. Aber wie Adrian sind wir Leser von Buch zu Buch und Jahr zu Jahr illusionsloser über unsere eigene Gegenwart geworden.

Ihre Gesundheit machte Townsend seit Jahren schwer zu schaffen. In Folge lebenslanger Diabetes verlor sie über die Jahre ihre Sehkraft, bis sie 2001 völlig erblindete. 2007 versagten ihre Nieren und die letzten Lebensjahre war sie an den Rollstuhl gefesselt. Ihre letzten Bücher diktierte sie ihrem Sohn Adam: „Ich bin gezwungen, Wörter in die Dunkelheit zu schleudern“, sagte sie einmal. Für ihre Leser war sie ein Licht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2014)

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