Gesellschaft der Stürzenden

Volker Weidermann beschreibt jenen Sommer 1936, den Joseph Roth, Stefan Zweig u.v.a. in Ostende im Exil verbracht haben. Das hätte ruhig länger ausfallen können!

Joseph Roth sitzt lieber weit hinten im Café Bistro, dort, wo die Sonne nicht hinkommt, während Stefan Zweig und seine Geliebte Lotte Altmann das Licht suchen. Es ist der Sommer 1936, in dem die gleichermaßen illustre wie verzweifelte Gruppe von deutsch-österreichischen Dichtern und Intellektuellen im belgischen Badeort Ostende Zuflucht und Zerstreuung sucht. Egon Erwin Kisch ist da und schwingt kommunistische Reden, die Autorin Irmgard Keun ist da und verfällt im Nu Joseph Roth. Auch Dramatiker Ernst Toller und seine schöne Ehefrau, die Schauspielerin Christiane Grautoff, sind da. Diese Sommergruppe ist eine „Gesellschaft der Stürzenden“.

Autor Volker Weidermann hat genau recherchiert. Gleich mehrere Geschichten erzählt er in dem nur 150 Seiten schmalen Band: von der Freundschaft zwischen dem feinsinnigen Stefan Zweig und dem schon sehr verwahrlosten, trinksüchtigen Joseph Roth. Und Weidermann hat bei der Recherche entdeckt, dass Roth eine Passage zu Zweigs Novelle „Der begrabene Leuchter“ beigesteuert hat. Es geht auch um die Amour fou zwischen Roth und Irmgard Keun – und um lauter starke Frauen, die sich an der Seite ihrer nervösen, zerbrechlichen Männer schwächer geben, als sie sind.

Das alles ist so sanft und kurzweilig erzählt, garniert mit amüsanten Bildern – Joseph Roth etwa wird „als trauriger Seehund, der sich an Land verirrt hat“, beschrieben –, dass wir noch viel mehr davon lesen wollten. awa

Volker Weidermann: „Ostende“, 160 Seiten, 18,50 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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