ORDENSRITTER IM 21. JAHRHUNDERT: Elitäres Netzwerk ohne politische Macht

Sie verstehen sich als die letzten Ritter Europas, als das elitärste Netzwerk, als die exklusivste Organisation: Die Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies. Sie dürfen einer Vereinigung des Hochadels angehören, die seit 1430 ohne Unterbrechung besteht. Anlässlich seiner Heirat mit der portugiesischen Infantin Isabella gründete der burgundische Herzog Philipp der Gute den Orden und stiftete goldene Ketten, mit denen er engste Vertraute schmückte.

Der seltsame Name leitet sich vom goldenen Widderfell an der Kette (Kollane) ab, die alle Mitglieder stets tragen sollten. Philipp schwärmte für die antiken Sagen, so steht das Vlies für den griechischen Helden Jason, der mit den Argonauten nach Kolchis zog. Es symbolisiert auch Philipps Absicht, das Christentum vor den Angriffen der Muslime zu schützen. Eine Parallele zum abendländischen Europa des 21. Jahrhunderts? So explizit wird dies kein heutiger Ordensritter aussprechen. Nein, es gelte, die unverrückbaren Prinzipien des christlichen Rittertums hochzuhalten, wird versichert: Tugendhafter Lebenswandel, Streben nach Ehre, gutes Ansehen, Vorbildwirkung. Paradoxerweise kann dieser hohe Anspruch heute besser erfüllt werden, als in den Jahrhunderten davor, als das Haus Habsburg Macht in Europa ausübte. Denn ob die Ritter einst wirklich diesen Kriterien entsprachen, sei füglich dahingestellt. Immerhin war ja so gut wie jedes Adelsgeschlecht Mitteleuropas im Orden vertreten.

Es war einst eine höchst politische Vereinigung, die Versammlung der mächtigsten Personen Burgunds. Der Souverän des Ordens bestimmte in alleiniger Entscheidung die Mitglieder. So ist es auch heute noch. Das Netzwerk ist geblieben, wenn auch die öffentliche Wirksamkeit seit dem Thronverlust der Habsburger marginal geworden ist. Derzeitiger Souverän ist Karl Habsburg, Ottos erstgeborener Sohn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2007)

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