Franzobel: "Revolutionen scheitern immer"

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In Melk wird heuer "Metropolis" nach dem Film von Fritz Lang uraufgeführt, neu geschrieben von Franzobel. Der Dichter über Anarchie, Kinder und Othellos Wurstkrieg-Happy-End.

Franzobel überall: Für Linz schreibt er eine Oper, im Sommer kommt sein erster Krimi, „Wiener Wunder“, heraus. Das Wiener Lustspielhaus zeigt sein Stück „Othello, ein Schlechter (sic!) in Hernals“ und bei den Melker Sommerspielen wird „Metropolis – das große weiche Herz der Bestie“ nach Fritz Langs Filmklassiker aus den 1920er-Jahren über eine Zweiklassengesellschaft von Reichen und Maschinenmenschen uraufgeführt. Keine Angst vor großen Vorbildern? „Die Hosen kann man als Autor immer verlieren“, so Franzobel.

Sie haben „Metropolis“ neu geschrieben. Sie trauen sich was. Wie funktioniert das?

Franzobel: Ich finde alles interessant, was riskant ist. Ich tue mir leichter, wenn ich mich auf eine vorhandene Geschichte beziehen kann, wie schon bei meinen Stücken über Kronprinz Rudolf, Mozart, Hans Moser. Viele Dramatiker haben vorhandene Stoffe, Geschichten für ihre Werke genommen, Shakespeare, Nestroy z. B. Ich habe versucht, sehr nahe am Film dranzubleiben. Sehr viele Menschen kennen den Film, sehr wenige wissen die Handlung. Es bleiben nur ein paar Bilder von Maschinen, Ober-, Unterwelt. Es gibt Aspekte, die bei mir stärker sind als im Film, das Revolutionäre etwa.

In Ihrem Stück gibt es viel Gesellschaftskritik. „Nur, wer oben ist, kann es sich leisten, so zu sein, wie er wirklich ist“, sagt der reiche Unternehmer zu seinem Sohn.

Das Stück handelt von der Ambivalenz Revolutionen gegenüber: Es gibt eine Sehnsucht danach, viele Menschen haben aber auch Angst davor. In letzter Zeit entstanden viele revolutionäre Bewegungen, im Maghreb, in der Türkei, die Arbeiteraufstände in China. Es gibt immer wieder Versuche einer Gruppe, alles neu zu regeln. Das ist aber eigentlich immer gescheitert. Die Geschichte der Revolutionen ist letztlich eine Geschichte des Scheiterns. Immerhin gibt es große, neue Solidaritätsbekundungen auf Facebook oder Twitter.

Warum scheitern Revolutionen?

Weil die Revolution ein Auffangbecken für alle Hoffnungen und Sehnsüchte, ein Platzhalter für jegliche Art von Zukunftstraum ist. Die Realität schaut dann aber meistens anders aus. Auch darum geht es in meinem Stück.

Sie haben heuer auch wieder für das in Hochkulturkreisen eher übel beleumundete Wiener Lustspielhaus ein Drama geschrieben: „Othello, ein Schlechter in Hernals“. Worum geht es da? Sind Sie traurig, wenn Kritiker Ihre Werke verreißen?

Das Lustspielhaus funktioniert einfach für die Leute. Ich mache das sehr gern. Nestroy ist auch in der Vorstadt gespielt worden. Da darf man nicht zu empfindlich sein. Mein „Othello“ ist der „Othello“ von Shakespeare, aber es geht um einen Wurstkrieg, übrigens mit einem Happy End. Die Sprache steht im Zentrum, der Witz, die Doppeldeutigkeit, und es gibt Anspielungen auf aktuelle Ereignisse.

Wie läuft es mit Ihrem Familienleben? Sie schreiben ja auch Kinderbücher...

Voriges Jahr ist eins erschienen, und jetzt habe ich gerade wieder eins fertig. Es geht um einen kleinen Piraten, der sich weigert, in den Kindergarten zu gehen. Mein Sohn Nepomuk ist jetzt vier. Ich muss ihm das Buch ständig vorlesen und werde dabei mit meinem Hang zur Anarchie konfrontiert. Der Nepomuk identifiziert sich mit dem kleinen Piraten, er baut eine Falle und verwüstet die Wohnung. Ich bin ein völliger Laisser-faire-Vater. Bei mir darf ein Kind im Grunde alles. Meine Frau ist viel strenger, puristischer, protestantischer. Sie verhandelt. Also spielen wir Good Cop, Bad Cop.

Nepomuk heißt nach Nestroy.

Das war im 19. Jahrhundert ein unglaublich populärer Zweitname. Ich wollte schon meinen ersten Sohn so nennen, der Laurenz ist jetzt 16. Aber die Verwandten haben sich dagegen gesperrt. Jetzt, beim zweiten Sohn, habe ich mich durchgesetzt. Inzwischen ist in Wien so eine Namensflut durch die Zuwanderer und die modernen amerikanischen Namen. Das hat geholfen.

Sie wurden 1967 in Vöcklabruck geboren. Was ist das Typische für Ihre Generation? Die 1968er-Revolution nicht mehr, Punk?

Ja, aber die 1968er haben nachgewirkt. Das war für mich schon eine Art Ideal, die Blumenkinder-Revolution, die Langhaarigen, die Marihuana rauchten, die Musik. Bei uns am Land hat es gedauert bis das durchgekommen ist. Ich glaube, jede Jugend ist von irgendeinem revolutionären Gedanken fasziniert, so zu sein wie die Eltern nicht sind, wie man sie am meisten schockieren kann. Manche montieren sich Kuckucksuhren in die Nase.

Sie haben sich mit dem Flinserl begnügt.

Das hat damals am Land schon gereicht. Aber meine Eltern waren sehr tolerant, speziell für eine Proletarierfamilie. Sie haben gedacht, der Bub macht eh, was er will.

Wie haben Ihre Eltern darauf reagiert, dass Sie Künstler werden wollen?

„Auf dich werns grad warten“, das war ein sehr beliebter Satz. Künstler war keine Berufsmöglichkeit, das war unvorstellbar, damals am Land, dass man davon leben kann. „Da kannst glei unter die Brucken ziagn“, das war so ungefähr der Tenor. Aber jetzt bin ich schon seit bald 30 Jahren in Wien.

Können Künstler die Welt ändern?

Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, vielleicht trägt man ein kleines Scherflein dazu bei, dass sich die Welt ändert, und das tut sie ja. Nicht so radikal mit einer Revolution, aber kleine Fortschritte sind machbar, und die werden auch gemacht.

Steckbrief

1. März 1967
Franzobel wird als Franz Stefan Griebl in Vöcklabruck geboren.

1986
Franzobel zieht nach Wien, studiert Germanistik, Diplomarbeit über Visuelle Poesie. Seine Spezialität wird ein Kunstdialekt.

1995
Franzobel gewinnt den Bachmann-Preis. Sein Werk ist inspiriert von den Dadaisten, der Wiener Gruppe, Doderer, vom Altwiener Volkstheater.

2014
„Metropolis“, 18.6.-2.8. Melk; „Othello“, ab 17. Juli im Lustspielhaus/Am Hof. Diesen Sommer erscheint „Wiener Wunder“, Franzobels erster Krimi über Doping (Zsolnay). Weiters neu: „Bad Hall Blues“, eine (urkomische) Oberösterreicher-Elegie mit Hermann Scheidleder (Burg) als Protagonist (Kehrwasser-Verlag).

2016
Franzobel bringt im neuen Linzer Musiktheater (zum zweiten Mal) eine Oper heraus, es geht um eine Reise zum Mond, Musik: Moritz Eggert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)

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