Kater Kurt, Wurstel-Wutz und die Außerirdischen

Kater Kurt, Wurstel-Wutz und die Außerirdischen
Kater Kurt, Wurstel-Wutz und die Außerirdischenmixtvision
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Ein kluger Fischer, schlimme Knaben unterschiedlichen Alters, eine Maus, die über den Ozean fliegt, Poesie für Kinder und Heranwachsende – sowie „Happy Smekday“, witzige Fantasy, die bald als Hollywood-Film mit Rihanna herauskommt – unsere Lektüre-Tipps für Kids und junge Erwachsene.

„Es folgte mir sofort.“ Mit diesem kurzen Satz beginnt für den Ich-Erzähler eine ebenso schräge wie köstliche Geschichte. Aus Langeweile macht er einen Spaziergang, trifft ein Pferd und lädt dieses zu sich nach Hause ein. Das Pferd ist höflich, aber mit der Zeit macht es sich immer mehr breit und geht dem Gastgeber auf die Nerven, bis dieser beschließt an etwas anderes zu denken. Ein herrliches Bilderbuch, boshaft und minimalistisch, das die Autorin selbst illustriert hat. Die Bilder sind fast noch lustiger als der Text.

Marie Dorléans „Der Gast“, übersetzt von Anna Taube, Bilderbuch mit E-Book, 40 Seiten, 13.90 Euro, mixtvision, ab 3J

Lindbergh. Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus
Lindbergh. Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden MausNord-Süd-Verlag

„Wild entschlossen kehrte die Maus wieder in ihre Werkstatt zurück. Sie grübelte, zeichnete, probierte und hämmerte.“ Erinnern Sie sich noch an Stuart Little, die weiße Maus im gelben Doppeldecker? Hier ist die - sagen wir - literarische Variante dazu. Hamburg 1912, der Wind heult: Die Maus kommt von ihren Studien heim und findet seltsame Maschinen mit einem Klapp-Mechanismus vor. Fallen! Ihre Artgenossen sind verschwunden. Auch die Maus macht sich auf den Weg, sie baut ein Flugzeug und fliegt über den Ozean. Natürlich geht das nicht ohne Gefährdungen ab,  aber sie wird – zu einer Legende der Fliegerei. Im Stile alter Zeitungen ist dieses Buch illustriert, eine zauberhafte Geschichte, zum Schluss gibt es einen kurzen Überblick zu Pionieren der Flugindustrie. Noch ein pfiffiger Nager: Bereits 2008 erschien „Jahrhundert der Ratte – Zwischen Lenin, Jazz & Harry Lime, von Casablanca nach Kyoto“ von Marcus Herrenberger, eine Graphic Novel, die damit beginnt, dass die Ratte in einem Schrankkoffer von St. Petersburg nach Paris reist, wo sie einen Maler trifft, der ihr seine berühmte „Graue Periode“ widmet: Die Ratte wird  dekonstruiert und neu zusammengesetzt, zum Glück nur auf Gemälden...  (Verlag minedition) 

Torben Kuhlmanns „Lindbergh. Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus“ (Kurzfilm vom Autor auf Youtube), 96 Seiten, Nord-Süd-Verlag, 17.95 Euro, ab 4J

„Unwirsch zog die Biene den Saugrüssel heraus. ,Tsss, tsss', summte sie. ,Bissst wohl ausgebüxssst?“ Ein Küken schlüpft aus seinem Ei. Aber, oh Schreck, die Mama ist nicht da – und es muss feststellen, dass es keineswegs allgemein willkommen ist.

Julia Dürr, Brigitte Endres „Vom Küken, das wissen wollte, wer seine Mama ist“, 28 Seiten, 14.90 Euro, aracari-Verlag, ab 4J


„Schreit der Spatz: ,Das Ende der Welt ist nah! Der Flamingo will uns alle töten und niemand kann uns retten!“ Wie entsteht ein Gerücht? So. Der Flamingo schläft. Tiere besuchen ihn und sprechen ihn an, doch er antwortet nicht, weil er ja schläft. Die Tiere stellen allerhand Spekulationen über den schlummernden Flamingo an, der in ihrer Vorstellung mit der Zeit immer mehr und mehr zum Monster wird.

Baltscheit & Schwarz „Schon gehört?“, Bilderbuch, 40 Seiten, 13.95 Euro, Beltz & Gelberg, ab 5J

„Kopfschüttelnd blickt der Fremde auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen.“ In einem Hafen an der Westküste Europas treffen ein Tourist und ein Fischer aufeinander. Der Fischer döst, der Fremde fotografiert ihn und beginnt ein Gespräch mit ihm, das von einem Missverständnis zum anderen eilt. Der Fischer begreift nämlich nicht, warum der Tourist ihm unbedingt einreden will, dass er in die Fischerei-Industrie einsteigen soll. Ein cooles Buch zu einem heißen Thema, der kluge Text stammt vom Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll (1917-1985), der eine moralische Instanz war, aber, wie man hier sieht, auch einfache, zwingende, aktuelle Geschichten erzählen konnte.

Heinrich Böll, Emile Bravo „Der kluge Fischer“, Hanser, 40 Seiten, Bilderbuch, 15.40 Euro, ab 5J

„Wenn Pepe sich schämt, wird er klatschmohnrot. Und Pepe schämt sich oft. Immer dann, wenn ihn jemand bei etwas ertappt, das man angeblich nicht macht.“ Pepe und Lolo leben in verschiedenen Welten, aber eines Tages kommen sie zusammen. Nachdem sie sich eine Nacht lang unterhalten, „grünen Tee aus grünen Tassen“ getrunken haben, schreibt Lolo Pepe Karten, aber er traut sich nicht zurückzuschreiben. Eine köstlich schräge Geschichte, künstlerisch anspruchsvoll illustriert.

Elisabeth Steinkellner, Michael Roher „Pepe und Lolo“, Bilderbuch, Picus-Verlag, 40 Seiten , 17.90 Euro, ab 5J (erscheint im August 2014)

„Der Prophet drehte sich um und sah das Kamel in der Sonne stehen.“ Sein ganzes Leben hat das Kamel für einen Händler schwere Lasten getragen, doch eines Tages, als es völlig erschöpft in der heiligen Stadt Medina auf seinen Herren wartet, tritt Mohammed höchstpersönlich auf und plötzlich geschieht ein Wunder. Ein orientalisches Märchen, erzählt von Griffin Ondaatje, der u. a. den Dokumentarfilm „Complete unknown“ über Bob Dylan gedreht hat.

Griffin Ondaatje, Linda Wolfsgruber „Die Tränen des Kamels“, ars Edition, 48 Seiten, 13.40 Euro, ab 5J

Kater Kurt kommt in die Stadt
Kater Kurt kommt in die StadtPicus

„,Mist“, dachte Kater Kurt. Wäre er bloß zu Hause geblieben. In seiner Hängematte gab's nämlich keine Entscheidungen. Da gab's nur ihn, Kater Kurt. Aber zurück wollte er auch nicht.“ Der Fuchs verführt Kater Kurt, mit ihm die große Stadt zu besuchen. Der Fuchs behauptet, die Leute dort fänden ihn attraktiv. Kater Kurt hat zwar keine Ahnung, was das Wort bedeutet, aber er möchte auch attraktiv sein. Die zwei Schlawiner schlemmen in einer Konditorei, obwohl sie kein Geld haben, Kater Kurt kriegt einen Hut, auf Kredit, und dann gibt’s die ersten Komplikationen, denn das Polizeischwein verhaftet die beiden. Eine herrlich altmodische Kindergeschichte mit einer Prise Pippi Langstrumpf und einem Schuss Winnie the Pooh. Komische Fusion? Nein, das geht wunderbar. Der 1979 in Wien geborene Comic-Zeichner und Graffitikünstler Mathias Nemec hat  außer der Kater-und-Fuchs-Geschichte auch „Pauls Reise“ (Picus) illustriert, Text: Stefan Slupetzky, Erfinder des Ex-Polizisten, Ex-Detektivs und Nachtwächters Leopold Wallisch, genannt der Lemming.

Lars Hansen, Mathias Nemec „Kater Kurt kommt in die Stadt“, Picus,  60 Seiten, 13.90 Euro, ab 5J

„Prompt lädt er sich manch Schmuddelschwein/Zu Kuchen und zu Lake ein“, Wurstl-Wutz ist wie viele Kinderbuch-Helden Waise, die Angehörigen des armen Schweins wurden zum Schlachthof gebracht, Tantchen Ann-Kathrein hat ihn adoptiert. Jetzt soll Wurstel-Wutz endlich Geburtstag feiern, mit neun. Die Tante kann Parties nichts abgewinnen, darauf nimmt Wurstel-Wutz Rücksicht und lädt seine Freunde erst nach ihrem Abgang ein. Was für eine herrliche lautmalerische Sauerei!  Das Bilderbuch ist zwar schon letztes Jahr erschienen, aber urkomisch und von einem Weltmeister der Kinderliteratur Maurice Sendak („Wo die wilden Kerle wohnen“).

Maurice Sendak „Wurstl-Wutz“, Aladin-Verlag, 40 Seiten, 18.40 Euro, ab 6J

Mein buntes Blumenfest
Mein buntes BlumenfestResidenzverlag

„,Lass Dir Zeit“, meint Mama: „Wir sind auf Urlaub, nicht auf der Flucht.“ Valentin ist vor dem Urlaub so aufgeregt, dass er sein Zeugnis in der Schule liegen lässt. Doch die Fahrt bis zum Meer dauert endlos und auch sonst gibt es allerlei Komplikationen. Z. B. Findet Valentin einen hochinteressanten Freund mit Ziegen und Esel, aber dann ist dieser einfach verschwunden. Herziges Kinderbuch mit Happy End über das wichtigste Thema in dieser Jahreszeit: Der Urlaub.

Sarah Michaela Orlovsky, Michael Roher „Valentin der Urlaubsheld“, Picus, 128 Seiten, 13.90 Euro, ab 6J


„In einer Straßenbahn in Madrid fuhren zwei Nelken mit. Sie schwelgten im Reiseglück und wollten nicht mehr zurück.“ Hand aufs Herz. Mit Bastelbüchern geht es einem oft wie mit Kochbüchern, wir lesen sie, aber kochen und basteln nicht. Keine Zeit oder: Viel zu kompliziert. Dieses Buch bietet Bastelanleitungen, aber man kann die Poesie auch ohne sie genießen. Es gibt kurze Gedichte, Ausschnitte aus bekannten Märchen von Oscar Wilde oder Andersen, Geschichten zu Blumen und Pflanzen wie Veilchen, Vergissmeinicht, Lavendel, Rosen werden erzählt. Kinder können ein Garten-Sudoku lösen oder mittels des bei gelegten Posters ein Spiel spielen: Auf dem Weg zum Blumenfest sollen sie sich selber Gedichte ausdenken, etwas erzählen usw. Eine charmante Führung durch die Natur, kurz, bündig und sehr hübsch illustriert.

Antonie Schneider, Silke Leffler „Mein buntes Blumenfest“, Malen, Lesen, Tüfteln, Schreiben, Duften, Remen, Basteln, Gärtnern, Wundern, Freuen, Staunen. Nilpferd im Residenzverlag, 112 Seiten, 19.90 Euro, ab 6J

„Schlüüüürf! Uromi zutzelte nachdenklich an einem 9.66 Kilometer langen Trinkstrohhalm, der direkt zu ihrem Sherry-Vorrat führte.“ Die „Kinderzeichnung“ daneben zeigt die unwürdige Greisin in fortgeschritten benebeltem Zustand. Es gibt diese Zeit, wo Kinder sich köstlich über Schweinereien, Verbalinjurien usw. amüsieren. Manche Eltern können das nicht leiden. Aber es ist unabänderlich und je weniger man sich darüber aufregt, umso schneller entschwindet diese Phase. In Bad Lamonisch an der Bibber fallen Wolken vom Himmel. Wir begegnen Mr. Gum, der Kinder, Tiere, Spaß, Comics, Popmusik hasst und eigentlich überhaupt alles sowie seinem entsetzlichen Komplizen, dem Metzger Willi, die (Ratten, Kakerlaken, Schleim, Gestank überall!) in ihrem Geheimversteck vergammeltes Fleisch verheizen. Und wir treffen die neunjährige Polly und ihren besten Freund Freitag. Wer jetzt an Sweeney Todd oder Robinson denkt, liegt vielleicht gar nicht falsch. Lustige, sprachspielerische Sauereien für robuste Kinder und Eltern werden hier zelebriert.

Andy Stanton & David Tazzyman (Illustrator) „Mr Gum und das geheime Geheimversteck“, übersetzt von Harry Rowohlt, Sauerländer, 251 Seiten, 13.40 Euro „Mr. Gum“ ist eine Serie, in England haben sich die Bücher, bisher sind neun erschienen, eine Million mal verkauft, ab 8J.

„Weiter flussaufwärts erfüllten Schreie die Luft. Einen Moment lang war es still, dann rasten zwei große Körper am Flussufer entlang.“ Tiere sind für Kinder beliebte Identifikationsfiguren. Hier geht es um Schermäuse, die am und im Wasser leben und sich vor einem übermächtigen Eindringling fürchten, der ihre traditionellen Feinde wie Fuchs, Fischreiher, Wiesel an Gefährlichkeit übertrifft – und auch die bedrohlichen Stromschnellen. Sylvans tapfere Mäusefamilie muss ein neues Zuhause suchen. Tom Moorhouse, der Autor dieser spannenden und kundigen Mäuse-Saga, deren erster Band vorliegt, ist Mitte 30 und arbeitet als Ökologe an der Oxford-Universität.

Tom Moorhouse „River Singers“, übersetzt von Leonard Thamm, rororo rotfuchs, 224 Seiten, 12.99 Euro, ab 9J

"Happy Smekday oder der Tag, an dem ich die Welt retten musste"Ueberreuter

„Ich bin Hauptmann Boov. Ich kann zu reparieren allens. Selbstverständlich kann ich zu reparieren ein primitives Menschensauto.“ (Sic!) Dieser junge Mann hat nicht ein paar Jahre in Deutsch gefehlt, er kommt von einem anderen Planeten, ist er überhaupt ein junger Mann? Er hat acht Beine. Sicher ist, dass Tipp Tucci, ein aufgewecktes elfjähriges Mädchen ist, dessen Mama verschwand, was ja sehr beliebt ist in Kinderbüchern, damit die Autoren die Kinder machen lassen können, was sie wollen, wie mir einmal ein Schriftsteller erklärt hat. Die Boovs beanspruchen die Erde, das tun auch die Gorgs, das geht schlecht aus für die Menschen. Der Plot ist nicht brandneu, aber Adam Rex schreibt ausgesprochen originell und witzig. Der Animationsfilm zu „Happy Smekday“ (mit Rihanna, Steven Martin, Jennifer Lopez, letzterer widmete der schlaue Adam Rex sein Buch) kommt heuer im Herbst heraus. Der Streifen heißt leider einfallslos „Home“, wird von Dreamworks produziert, der witzige Clip ist schon auf Youtube zu sehen.

Adam Rex „Happy Smekday oder der Tag, an dem ich die Welt retten musste“, übersetzt von Anne Brauer, Ueberreuter, 443 Seiten, ab 10J

„Blass sah sie aus. Dabei finde ich sie wunderhübsch. Sie hat zwar keine weißen Haare und keinen Knoten wie früher die Großmütter auf den alten Bildern. Sie geht mit ihrer Kinnlang-Frisur alle 14 Tage zum Friseur und lässt sich nach vier Wochen die Haare zu Hellbraun-Nuss mit goldigen Strähnchen färben.“ Paul ist ein Frauen- bzw. ein Großmutter-Versteher. Seine Eltern sind, erraten, tot, er lebt mit seiner geliebten Oma Lilly. Weil diese einen Oberschenkelhalsbruch erlitten hat, kann sie nicht mit Paul im Sommer „wild durch die Gegend radeln“ wie die beiden das vorgehabt hatten. Der Enkel wird zu Onkel Mark verfrachtet, der kann nicht kochen, schon gar nicht wie Oma Lilly, dafür hat er ein heftiges Liebesleben, in dem er seinem Neffen zuliebe natürlich sogleich eine Pause einlegt. Nannah Rogge, eine schon etwas ältere Autorin, mischt gekonnt und mit Humor alten und neuen Kinderbücherstil.

Nannah Rogge „Keine Zeit für Katastrophen“, Obelisk, 164 Seiten, ab 10J


„Oh ja, ich will lachen, und Quatschiges machen, spiel auch gern Streiche und renne und schleiche..“ Das fällt selbst Wenzel auf, dass das Suseldrusel ein eher mäßig begabter Reimeschmied ist. Während Wenzel Stunts auf seinem Bett übt und dabei dieses und fast auch sich selbst demoliert, erfahren seine Eltern, dass sie einen Malediven-Urlaub gewonnen haben: Für zwei! Wenzel wehrt sich vergebens, abgeschoben zu werden. Nachdem verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten inklusive anderweitig beschäftigter Omas ausgeschieden wurden, hilft nur mehr ein Trick: Wenzel wird beim zerstreuten Onkel Nikolai abgeladen, der gerade von seiner Lektorin aufgefordert wurde, einen neuen Roman zu verfassen. Testleser Wenzel erlebt blaue Wunder, die Romanfiguren erwachen nämlich zum Leben. Das Grundkonzept dieser reizenden Bubengeschichte ist nicht brandneu, aber das Buch ist höchst amüsant.

Nikola Hupperth, Regina Kehn „Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kawinski, Strupp und dem Suseldrusel“, 312 Seiten, 13.90 Euro, mixtvision, ab 10 Jahre

„Hallo Rübe! Sag uns bitte, wie wir zu den Splittern der Mondsichel gelangen.“ Klingt wie Harry Potter, ist aber mehr eine mit romantischen Motiven gespickte Geschichte über Primus, der in einem Turm am Rande des Finsterwaldes lebt und sich in eine Fledermaus verwandeln kann, als solche fliegt er ins Menschendorf und stiehlt Bäckereien. Mit der Hexe Plim reist Primus zur Mondsichel, die übernatürliche Kräfte haben soll. Stefan Seitz schildert geheimnisvolle oder verrückt spielende Natur sozusagen in 3D-Animation.

Stefan Seitz „Das Unkrautland“ „Auf den Spuren der Nebelfee“, erster Band einer Serie, 320 Seiten, Carlsen, 7.99 Euro, ab 10J

 „Kelsang“
„Kelsang“Jacoby & Stuart

„Kelsang wusste nicht, wie weit er gelaufen war, doch war er sich sicher, dass er direkt zum offenen Grasland unterwegs war.“ Do Khyi heißen die tibetischen Hirtenhunde, die zum Statussymbol, speziell von Chinesen avancierten, für eine Million Euro wechselte 2011 einer dieser Hunde in China den Besitzer. Kelsang, der den Namen eines tibetischen Gelehrten trägt, verlor als Welpe seine Mutter, die einen Schnee-Leoparden tötete, bevor sie ihren Verletzungen beim Kampf mit diesem erlag. Kelsang wächst bei einem Hirten auf, der verkauft ihn jedoch nach einem Saufgelage an zwei dubiose Kerle. Kelsang besteht Hundekämpfe, wird eingesperrt und als Monster Touristen präsentiert. Manche Passagen des Buchs erinnern an Tschingis Aitmatow, aber insgesamt ist die Story stilistisch nicht wahnsinnig elegant. Aber: Gerelchimeg Blackcrane, der in der Inneren Mongolei aufwuchs, beschreibt bewegend und authentisch die Welt der Tibeter und das Hundeleben. Die wohl beabsichtigte Identifikation funktioniert – und natürlich gibt’s für Kelsang ein Happyend.

Gerelchimeg Blackcrane „Kelsang“, übersetzt von Nicola T. Stuart, 288 Seiten, Jacoby & Stuart, 15.40 Euro, ab 12J


„Du hast in einer Welt voller Unsinn gelebt, David. Niemand hat dir über irgendetwas die Wahrheit gesagt.“ Der Psychiater, der dem jungen Burschen die Augen über sein schreckliches Leben öffnet, hat die Gestalt eines weißen Kaninchens mit Uhr. Eine Art „Alice im Wunderland“ ist die Geschichte von David auch, allerdings ist das Grauen, das ihn umgibt, nicht skurril, sondern schonungslos real. Umzingelt von Monstern wächst das Kind auf, im verpesteten Detroit, mit einem Vater, der Arzt ist, und den Knaben röntgenisieren lässt bis er schwerkrank wird, mit einer schwierigen, unzugänglichen, kranken Mutter, einer irren Großmutter, die das Haus anzündet.. Mit 16 geht David von daheim davon und findet in der bildenden Kunst eine neue Welt. Entwicklungsroman hat man solche Bücher früher genannt, dies ist eine Graphic Novel, die es mit diesem bedeutenden Genre aufnehmen kann und die mit der oft als Nachkriegsidylle verstandenen Welt der 1950iger Jahre gründlich abrechnet.

David Small „Stiche“, aus dem Englischen von Barbara König, Carlsen, 336 Seiten, 29.90 Euro, ab 14 Jahre

„Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“
„Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“Gulliver

„Ist es nicht eher so, dass du gestern jemandem auf den Senkel gegangen bist und Prügel bezogen hast?“ Mussten Sie auch mit ihrem Nachwuchs den schrillen Kult-Streifen „Fack ju Göhte“ (sic!) anschauen? Dann können Sie auch gemeinsam dieses Buch lesen. Der 17jährige Ich-Erzähler ist ein tolles Großmaul, ein Baron Münchhausen im Lümmel-Format. Die Mutter ist mit einem Tankwart durchgebrannt, der Vater hat eine neue Freundin, die Schwester nervt mit Bravheit, „in eine Familie intellektueller Dünnbrettbohrer schlau, geistig unabhängig und sexy hineingeboren zu sein, war die Tragik, die ich mit mir herumschleppen musste.“ Der junge Mann will ausziehen, er findet einen Job, aber die Arbeitswelt ist noch weniger Honiglecken als die Schule. Ein herrlich wahres, ziemlich respektloses, aber auch amüsantes Buch voller ungeschminkter Wahrheiten über die Adoleszenz, das im Macholand Italien zum Bestseller wurde.

Christian Frascella „Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“, übersetzt von Annette Kopetzki, 315 Seiten, 8.95 Euro, Gulliver, ab 14 J

„Dein Hut lüftet sich leis, grüßt, schwebt im Wind, dein unbedeckter Kopf hat's Wolken angetan“.. Haben Sie es erkannt? Ingeborg Bachmann: „Erklär mir, Liebe“. Natürlich lesen alle Teenager am liebsten Fantasy, darum gibt es so viel davon, für die Ausnahmen, z. B. künftige Künstler oder versponnene Intellektuelle, ist dieses Buch das Richtige. Christine Knödler, Literaturwissenschaftlerin und Journalistin, hat Texte, Gedichte gesammelt: Georg Trakl über den Sommer, Else Lasker-Schüler über die Weltflucht, Paul Klee über eine herrliche absurde Begegnung, Brecht über Vergnügungen, Peter Handke über das Kindsein usw. Stefanie Harjes sorgte für die herrlich schwebenden, surrealen, träumerischen oder auch ganz konkret komischen Illustrationen.

„Warum ist Rosa kein Wind?“, herausgegeben von Christine Knödler, illustriert von Stefanie Harjes, Ravensburger, 17.47 Euro, 142 Seiten, Junge Erwachsene

("Die Presse", Print-Ausgabe, 2.06.2014)

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