Schweizer Autor im „Plagiatsland“

Der Autor Urs Mannhart räumt ein, dass er Reportagen des Österreichers Thomas Brunnsteiner verwertet hat.

Die Namensgleichheit fällt sofort auf: Der Protagonist in Urs Mannharts jüngstem Roman, „Bergsteigen im Flachland“, heißt Thomas Steinhövel und ist Reporter. Und auch der Mann, dessen Texte Mannhart geklaut hat, heißt Thomas, Thomas Brunnsteiner nämlich, und auch er ist Reporter. Urs Mannhart lässt seinen Thomas Steinhövl dieselben Reisen erleben, die der Österreicher Brunnsteiner in seinen Texten geschildert hat. Es geht nach Baku, Moskau und auf eine Fähre in der Ostsee. Der fiktive Thomas-Reporter trifft dort die gleichen Menschen wie der echte Thomas-Reporter, und sie sagen zum Teil wortgleich das, was sie in den Reportagen gesagt haben. Und ein von Brunnsteiner porträtierter serbischer Dissident namens Aca Mandic wird zu einer der Hauptfiguren in Mannharts Roman.

Die Abkupferei entdeckt hat nun die „Neue Zürcher Zeitung“. Mitte Juni hatte die Zeitung „Bergsteigen im Flachland“ hymnisch gelobt, als „ebenso packenden wie anrührenden Roman“ und „großartiges Kaleidoskop der Liebe und des Todes“. Urs Mannhart bestreitet nicht, dass er sich Ideen bei Brunnsteiners Reportagen geholt habe. Zu Beginn seines Romans zitiert er nicht nur den österreichischen Schriftsteller Alois Hotschnig und den legendären Reporter Ryszard Kapuscinski, sondern auch den weniger bekannten Brunnsteiner. Und im Anhang dankt er ihm zwar – „freilich pauschal und neben vielen anderen“ (NZZ) –, eine korrekte Zitierung der Reportagen fehlt aber.

Gekupferter Autor: „Eine Dummheit“

Dabei kann man Mannhart nicht vorwerfen, er wäre nicht sorgfältig gewesen. Sieben Jahre hat er an dem Roman geschrieben, hat ausgiebige Quellenstudien vorgenommen und viele Schauplätze bereist. Er sagt, es sei keine Absicht gewesen, Brunnsteiner nicht korrekt zu zitieren. Er hätte die Hinweise auf die Quellen leicht verwischen können, dabei wollte er dem von ihm geschätzten Autor seine Reverenz erweisen. Dennoch bedauert er es jetzt, die Quellen nicht offengelegt und Brunnsteiner nicht um Erlaubnis gebeten zu haben.

Für Brunnsteiner, der per Zufall über Dritte von der Zweitverwertung seiner Reportagen erfahren hat, handelt es sich um ein Plagiat. Er fühle sich, als wäre bei ihm eingebrochen worden. Vor allem hätte er nie zugestimmt, dass die lebende und gefährdete Person Aca Mandic zum Protagonisten eines Romans werde. Dies sei eine „Sorgfaltslosigkeit“ und „Dummheit“ von Mannhart. (awa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2014)

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