Wolf Haas schickt seinen Brenner an die Wolga

LITERATURFESTIVAL O-T�NE: HAAS
LITERATURFESTIVAL O-T�NE: HAAS(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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In „Brennerova“ verliebt sich der Detektiv in das Internetprofil einer Russin, gerade als er bei der tollen Herta endlich sesshaft werden könnte: Neues über den alt gewordenen Krimi-Antihelden.

Er sei wohl so etwas wie Brenners „Hotel Mama“, sagte Wolf Haas kürzlich in einem Interview. Sein Detektiv niste sich immer wieder in seinem Hirn ein, ob er es wolle oder nicht. Gut für alle, die die Brenner-Romane lieben, denn so gibt es nun schon zum zweiten Mal eine Fortsetzung, die eigentlich nicht existieren dürfte. Immerhin war der Icherzähler schon vor elf Jahren einmal gestorben, ironischerweise im Band „Das ewige Leben“, und Haas hatte versichert, es würde keine Auferstehung geben...

Bei anderen Krimi-Autoren stirbt der Detektiv, wenn sie nicht mehr schreiben wollen. Natürlich musste es bei Haas anders sein. Was ist denn auch an Brenner, diesem schwerfälligen, fehlbaren Nullachtfünfzehn-Österreicher, so interessant? Der eigentliche Held und hervorstechende Charakter der Brenner-Romane ist ja der aufdringlich schwadronierende, besserwisserische Erzähler und sein eigenwilliger, mit der österreichischen Mündlichkeit spielender Sprachcharakter. Warum er 2009 im Band „Der Brenner und der liebe Gott“ plötzlich wieder da war, erklärte der Erzähler selbst so: „Meine Großmutter hat immer zu mir gesagt, wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen.“

Herta wandert und sucht ihr „Krafttier“

Jetzt ist mit „Brennerova“ im Verlag Hoffmann und Campe der achte Brenner-Roman erschienen, und etwas ist neu: Der Ex-Kriminalpolizist und Ex-Detektiv, dessen Abenteuer stets an verschiedenen Orten Österreichs spielten, scheint zum ersten Mal die Chance auf Sesshaftigkeit zu bekommen. Die Chance heißt Herta und ist eine frühpensionierte Latein- und Griechischlehrerin, die ihren Job los ist, seit sie einem Schüler eine „geschmiert“ hat – „und da hat der Stadtschulrat in einem persönlichen Gespräch zu ihr gesagt, volles Verständnis, der Franz hat bestimmt darum gebettelt, aber die Zeitungen sitzen mir im Genick“. Wer nun glaubt, die Herta sei eine zweifelhafte Person, irrt. Wolf Haas findet sie toll, Simon Brenner auch und den meisten Lesern wird es wohl ebenso gehen, auch wenn (oder gerade weil) die passionierte Weltwanderin auch ihre Schwächen hat: Sie schwärmt für Schamanen, will in der Mongolei ihr „Krafttier“ suchen – es stellt sich als Ochs heraus – und verliebt sich dort auch noch in ihren Geiselnehmer.

Aber davor hat sich der alte Ochs Brenner, Herta hin, Herta her, in eine Russin verliebt, die er auf einer Internetseite erspäht hat und die einen österreichischen Mann zum Heiraten sucht. Kaum hat der Erzähler erzählt „Geschrieben hat er natürlich nie einer. Er war ja nicht blöd“, schreibt Brenner auch schon. Als Passwort für sein Profil hat er „Brennerova“ genommen, „weil er hat sich vorgestellt, dass so eine hübsche Russin Brennerova heißen würde, wenn sie ihn heiratet“.

Was so ein Wort alles an Fantasien auslösen kann, bis hin zu einem ganzen Roman: „Brennerova“ hatte Wolf Haas ursprünglich einen Ordner genannt, in dem er Fragmente zu Brenner-Geschichten sammelte, die er nicht mehr weiter bearbeiten wollte. Dann habe ihm dieser Name gefallen, erzählt der Autor, er habe dabei an eine Frau gedacht, und so sei zufällig die Idee zu dieser neuen Geschichte gekommen.

Nachdem Brenner von der wunderschönen Nadeshda eine wunderschöne Nachricht bekommen hat, gibt er ihr zunächst einen Korb, „weil die Herta das Beste ist, was er seit Langem erlebt hat. Das hätte er nur durch seine eigene Blödheit ruinieren können.“ Aber interessant: Kurz danach ist er in Russland, lässt sich von Kindern niederschlagen und erliegt als „Frauentränen-Umfaller“ dem Charme dieses Supermädchens, das um seine in Österreich verschollene Schwester weint. Zurück in der Heimat gerät er vor den Traualtar und in eine Tätowiererhöhle, zu Rotlichtmafiosi und Händeabhackern – „ob du es glaubst oder nicht“.

Alles ist da wie gewohnt: die „Jetzt ist wieder was passiert“ und „aber interessant“-Floskeln, die „Weil er hat“- und verbverschluckenden Sätze („weil Schwester gegen Schwester, Kain und Abel nichts dagegen“), der Galgenhumor des Erzählers, die listigen Brüche mit Krimigesetzen, die mal derben, mal fein ironischen Pointen und das liebevoll-abschätzige Lächeln über den so leicht in Frauenfallen tappenden Antihelden.

Diesen „Wiener Beisl“-Stil liebt man auch in Deutschland. In Amerika scheinen die Leser zum Teil befremdet zu reagieren. Allerdings hat Haas auch dort schon erfolgreiche Lesereisen absolviert, was bei Romanen mit so viel sprachlichem Lokalkolorit wohl nicht ohne die gute Übersetzerin (Annie Janousch) möglich wäre. Im Juli ist mit „Come, Sweet Death“ schon das vierte Brenner-Buch auf Englisch erschienen. Der „Presse“ erzählte Haas' amerikanischer Verleger, Dennis Johnson, vor einigen Monaten sogar, dass „Das Schweigen der Lämmer“-Regisseur Jonathan Demme begeistert gewesen sei und mit dem Gedanken spiele, einen Brenner-Roman zu verfilmen.

„Frauentränen-Umfaller“ in der Falle

Sicher scheint Haas der Erfolg jedenfalls weiterhin bei den deutschsprachigen Lesern, nicht zuletzt dank der Verfilmungen mit Josef Hader als Brenner. Die Startauflage für „Brennerova“ beträgt 100.000 Stück, die Lesung am Donnerstag beim Wiener Literaturfestival O-Töne im Museumsquartier war wie immer bestens besucht. 53 Jahre alt ist Wolf Haas jetzt, 35 war er, als er den Brenner erfand, nur wenige Jahre nach Henning Mankells ersten Wallander-Erfolgen. Heute wimmelt es in Europa nur so von kauzigen Krimihelden, aber die Brenner-Romane gehören immer noch zu den spritzigsten.

Der Antiheld ist mit dem Autor mitgealtert, steht kurz vor dem Pensionsalter, hat sich aber wenig verändert, wie die Romane selbst. Ein bisschen routinierter geht es schon zu, aber jeder, der die Brenner-Romane bisher gemocht hat, wird auch den hier mögen. Und wohl auch den nächsten, denn daran, dass es einen solchen geben wird, lässt der Roman kaum einen Zweifel, auch wenn Brenner nun schon über 60 ist. In den letzten Zeilen tappt der „Frauentränen-Umfaller“ nämlich schon in die nächste Falle. Krimidetektive ändern sich selten. Leser auch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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