Den Suchanek plagen die Gelsen

"Nachtmahl"(c) Verlag: rororo
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Rainer Nikowitz hat seinen zweiten Krimi geschrieben: "Nachtmahl" ist politischer als das erfolgreiche Debüt, "Volksfest", geworden – und noch eine Spur skurriler. Aber genauso gut.

Manchmal geschehen also noch Wunder. Mitunter sogar zwei. Nicht nur, dass der in Sachen Misanthropie hochbegabte Suchanek jetzt tatsächlich eine Freundin hat – seine Jugendliebe, die verwitwete Susi nämlich. Der notorisch phlegmatische Mittdreißiger zeigt auch noch tatsächlich so etwas wie Antrieb und Ermittlergeist, als ein paar Monate nach seinem ersten Kriminalfall schon wieder vor seinen Augen ein Mord passiert.

Was natürlich nicht bedeutet, dass aus ihm ein talentierter Ermittler geworden ist. Aber der Suchanek ist wieder zurück, und das ist gut so: „Profil“-Kolumnist Rainer Nikowitz legt nach seinem erfolgreichen Debüt „Volksfest“ im Vorjahr nun seinen zweiten Krimi rund um den arbeits- und vornamenlosen Antihelden vor. In „Nachtmahl“ begibt sich der Suchanek mit der Susi auf Erholungsurlaub, den ihm der niederösterreichische Landeshauptmann als Belohnung für die Aufklärung der Verbrechen, um die es in „Volksfest“ ging, geschenkt hat.

Bloß: Dass das mit dem erhofften Luxus und der Erholung eher nichts wird, ahnt der Suchanek schon, als er im – fiktiven, aber keineswegs realitätsfern porträtierten – niederösterreichischen Kaff Feuchtkirchen am Rande der Donauauen eintrifft. Der Hof, auf dem die beiden eingemietet werden, stammt, wie es im Buch heißt, „sicherlich aus den Siebzigerjahren, war also in einem Stil erbaut, der keiner war“. Das Zimmer: ein Graus. Das Highlight im Ort: eine Kurve auf der Landstraße.

Zu Tode gestochen. Der Suchanek ist also primär einmal grantig, und die Stimmung verbessert sich nicht unbedingt, als er am ersten Abend zum „aktiven Kennenlernen“ samt Animationsprogramm verpflichtet wird. Ohne seine Joints, die er zur Bewältigung des Lebens im Allgemeinen und Krisensituationen wie sozialem Kontakt im Speziellen braucht, wäre er da ziemlich aufgeschmissen. Am Lagerfeuer erzählt er angesichts der Feuchtkirchner Gelsenplage dann die Legende, wonach der rumänische Diktator Ceausescu seine Gefangenen im Donaudelta aussetzen ließ, wo sie von Millionen Gelsen leer gesaugt worden sein sollen.

Die Geschichte gefällt der Runde und als am nächsten Tag der Gastgeber, der Abentheuer, an einen Baum in den Auen gefesselt und nun, ziemlich zerstochen und ziemlich tot, aufgefunden wird, fürchtet der Suchanek, mit seiner Geschichte einen der Anwesenden auf blöde Gedanken gebracht zu haben.

Und da muss er natürlich zu ermitteln beginnen, auch, weil ihn Graf Manteuffel-Praslin, der im Ort eine Straußenzucht betreibt, zur Aufklärung des Mordes engagiert, um klarzustellen, dass er, der Graf, mit der Tat bitte nichts zu tun habe. Der Graf erzählt gerne von seinem Cousin Ignaz Manteuffel-Praslin, der als Lobbyist arbeitet, mit einer Ex-Ministerin verheiratet ist und auf die Jagd geht. Ein Schelm, wer da an Alfons Mensdorff-Pouilly denkt.

Überhaupt verwebt Nikowitz in seinen zweiten Krimi immer wieder (und wesentlich stärker als im ersten Teil) an die Realität erinnernde Geschehnisse aus Politik und Gesellschaft, die zumindest den österreichischen Lesern (der Roman erscheint beim deutschen Rowohlt-Verlag) bekannt vorkommen dürften: Da geht es um einen ziemlich skandalösen Tierschützerprozess. Um ein Mon Chéri, das an der Windschutzscheibe des Bürgermeisters deponiert wird. Um einen ziemlich tonangebenden Landeshauptmann.

Insgesamt führt der Autor in „Nachtmahl“ das Erfolgsrezept seines ersten Romans fort: eine skurrile Handlung mit wunderbar schrägen Charakteren in bester heimischer Krimitradition à la Wolf Haas und Thomas Raab. Eine Riesenportion Satire, gerade so dosiert, dass man die Geschichte nicht aus den Augen verliert, und ein unverwechselbarer Stil, wie man ihn aus Nikowitz' Kolumnen kennt. Unkonzentriert und nebenher lässt sich „Nachtmahl“ eher nicht lesen, will man nicht die eine oder andere Pointe verpassen. Wer einen empfindlichen Magen hat und auf makabre Grauslichkeiten eher nicht so entspannt reagiert, sei hier gewarnt.

„Nachtmahl“ ist ein österreichischer Krimi im besten Sinne. Ließe sich auch wunderbar verfilmen.

Neu Erschienen

Rainer Nikowitz
Nachtmahl

Rowohlt Polaris
317 Seiten
15,50 Euro

Der Autor präsentiert seinen Krimi am Mi., 8. Oktober, im Wiener Rabenhof. Tickets: www.rabenhoftheater.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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