Ein Buch zum Abschied von Hans Küng: "Glücklich sterben?"

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Der katholische Kirchen-Rebell setzt sich erneut vehement für aktive Sterbehilfe ein. Bereits im Vorjahr hat er das Thema im dritten Band seiner Erinnerungen behandelt. Der 86-Jährige leidet an Parkinson.

Das Thema beschäftigt ihn seit fast 60 Jahren, seit einem Schlüsselerlebnis: 1955 ist sein Bruder Georg an einem Gehirntumor gestorben, er war erst 23 Jahre alt und erstickte schließlich nach Monaten der Qual am Wasser in seiner Lunge. So wolle er selbst nicht enden, hat Hans Küng damals gedacht. Dieses Geständnis macht der streitbare Schweizer Theologe in seinem eben erschienenen, 160 Seiten umfassenden Buch „Glücklich sterben?“ (wie auch die übrigen genannten Werke im Piper Verlag), das in seinem Kern nicht nur ein Abschied zu sein scheint, sondern erneut eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Kirche, an der sich dieser katholische Priester seit jeher reibt.

Hans Küng war Professor für Dogmatik in Tübingen, ein Kollege Joseph Ratzingers, des späteren Papstes Benedikt XVI. 1979 wurde ihm unter Papst Johannes Paul II. von der Glaubenskongregation die kirchliche Lehrbefugnis entzogen, vor allem, weil Küng das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit anzweifelte, wohl aber auch deshalb, weil er im Reformeifer immer drängender in seiner Kritik an der Hierarchie wurde. Seit ihn Johannes XXIII. 1962 zu einem Theologen des Zweiten Vatikanischen Konzils berief, ist sein Eifer für Erneuerung stets gewachsen. Die Geduld, zur der ihn vor allem Päpste ermahnten, zählt nicht zu seinen Tugenden.

Die Verve aber, die seine umfassenden Publikationen begleitete, ob als Fundamentaltheologe, als Dogmatiker oder, vor allem nach der römischen Maßregelung, als Fürsprecher der Ökumene und eines Weltethos, hat er sich auch in seinem jüngsten Buch bewahrt, einer „Ars moriendi“. Für die katholische Kirche, die alles, was an Freitod grenzt, ablehnt, ist aktive Sterbehilfe ein Skandalon. An ihm rührt Küng mit starken und persönlichen Argumenten. Die Thematik hat er mehrfach abgehandelt, etwa im dritten Teil seiner Erinnerungen, die im Oktober 2013 unter dem Titel „Erlebte Menschlichkeit“ erschienen. Sein Einsatz für selbstbestimmtes Sterben löste weit über katholische Kreise hinaus Debatten aus, wie das auch schon 1995 der Fall war, bei „Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für Selbstverantwortung“. Küng hatte dieses Buch mit einem Juristen, einem Arzt und dem Literaturwissenschaftler Walter Jens verfasst. Sie empfahlen verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Tod.

Der „verlorene Freund“ litt an Demenz

Jens ist im Vorjahr nach langem Leiden gestorben, er litt an Demenz. Auch dieses Beispiel des „verlorenen Freundes“ führt Küng in seiner angeblich letzten Streitschrift als Argument für Sterbehilfe an: „So will ich nicht sterben!“ Und er fügt in einem Postscriptum vom August 2014 hinzu, dass er selbst im Juni lebensbedrohlich erkrankt sei, als Folge fortschreitender Parkinson-Erkrankung. Er wolle selbst entscheiden, wann es Zeit sei, zu gehen. Küng ist Mitglied eines Schweizer Sterbehilfevereins. Seine neue Textsammlung, die durch ein ausführliches Gespräch mit der TV-Journalistin Anne Will eröffnet wird, ist offenbar auch der Versuch, diese Mitgliedschaft mit seinem Glauben zu vereinbaren. Wichtig sei Respekt vor denen, die sich für den Tod entscheiden. Jeder Mensch habe Recht auf sein eigenes Leben und Sterben: „Gerade weil ich an das ewige Leben glaube, darf ich, wenn es an der Zeit ist, in eigener Verantwortung über Zeitpunkt und Art meines Sterbens entscheiden.“

Küng macht es sich nicht leicht, er lotet die Palliativmedizin aus und die religiöse Dimension des Sterbens, warnt vor Mord durch Zwangseuthanasie. Es geht ihm um Respekt, um Linderung. Der Text endet mit einem Gebet, das schon „Erlebte Menschlichkeit“ beschloss. Dieser Psalmist der Moderne ist erfüllt von dankbarer Gelassenheit, aus Freude „über jeden neuen Tag“, den Gott ihm schenke: „Denn du bist freundlich, und deine Güte währt ewig. Amen. So sei es.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

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