Sündenfall und Weltenbrand in Lech

Köhlmeier
Köhlmeier(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Köhlmeier und Liessmann begannen das Philosophicum Lech mit großen Geschichten.

„Warum er uns gemacht hat, das wissen wir nicht.“ Was für ein schöner erster Satz für ein Philosophicum über Schuld und Sühne. Er, das ist natürlich Gott, und der Erzähler, der seine erste Geschichte so begann, war Michael Köhlmeier. Er begann mit Adam, Eva und dem Sündenfall, dem Biss in die Frucht vom Baum der Erkenntnis, für den wir alle, glauben wir dem Augustinus, büßen müssen. Was für eine Unverhältnismäßigkeit! Hat Gott seinen Zorn je bereut? Hat sein Verbot nicht erst die beiden animiert? Ist er damit nicht eigentlich schuld am Sündenfall?

So verspielt und doch ernst stürzten sich Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann beim literarischen Vorabend des Philosophicum Lech gleich mitten ins Thema. „Wir können etwas, was sonst nur Gott kann: Zwischen Gut und Böse unterscheiden“, fasste Liesmann zusammen und erinnerte an Hegel, der die Vertreibung aus dem Paradies als Menschwerdung, als Austritt aus der Natur verstanden hat. Augustinus sah den Sündenfall anders und doch letztlich gleich: als Ausfluss des Hochmuts.

Hochmütig war auch Tantalos, der den Göttern seinen getöteten Sohn Pelops vorsetzte und glaubte, sie merkten es nicht. Sie straften ihn mit Tantalusqualen, doch das Unheil ging weiter, als Tantalidenfluch, bis schließlich Orest von Apoll bestimmt wurde, den Tod seines Vaters zu rächen. Er tötete seine Mutter, darauf verfolgten ihn die Rachegöttinnen. Der Fall wurde, so Köhlmeier, auf bürgerliche Weise gelöst: Die Athener stimmten ab, was mehr zähle, Vater- oder Mutterrecht. Die Göttin Athene gab den Ausschlag, sie schlug sich auf die Seite der Männer.

Bleibt die Frage: Warum lasten die Taten seiner Vorfahren so schwer auf Orest? Ist dieser Fluch nicht auch eine Art Erbsünde? Was heißt es, in eine Welt geboren zu sein, in der die Väter Schuld tragen? Muss die Kette aus Schuld und Sühne unausweichlich ins Verderben führen, wie im Nibelungenlied, das Köhlmeier als letzte Geschichte erzählte? Liessmann erinnerte an Wagners Deutung: Am Ende steht die Götterdämmerung, übrig bleibt das staunende Volk. Ist es wieder unschuldig?

Der biblische Gott habe nach seinem Zorn Gut und Böse in einen Krug getan, mit dem Auftrag: Gut schütteln! Auch diese apokryphe Geschichte brachte Köhlmeier, und verpflanzte sie schalkhaft nach Lech: Dort sei es so schön, dass die Adamskinder den Krug zu schütteln vergaßen... Zumindest eifrig diskutiert wird in Lech noch bis Sonntag. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2014)

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