Hat Milan Kundera einen West-Agenten verraten?

Milan Kundera
Milan Kundera(c) EPA
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Der Autor soll mit dem Geheimdienst der CSSR kollaboriert haben, berichtet eine tschechische Wochenzeitung. Und einen jungen Piloten denunziert haben, der nur knapp der Todesstrafe entging. Kundera dementiert.

Milan Kundera zählte zu den Hauptakteuren des "Prager Frühlings" und setzte sich für einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" ein. Doch der Autor soll in den Fünfzigern mit dem Geheimdienst des kommunistischen Regimes der früheren Tschechoslowakei zusammengearbeitet haben, berichtet das tschechische Nachrichtenmagazin "Respekt".

Der weltbekannte, in Brünn geborene Schriftsteller Milan Kundera (79) soll Laut der am Montag erscheinenden neuen Ausgabe des Wochenmagazins "Respekt" hat Kundera in den 50er Jahren einen jungen West-Agenten angezeigt, meldete die tschechische Nachrichtenagentur CTK unter Berufung auf den öffentlich rechtlichen Fernsehsender CT. Er habe niemanden denunziert, der Bericht sei eine Lüge, sagte der seit 1975 in Frankreich lebende Kundera am Montagnachmittag der tschechischen Nachrichtenagentur CTK in einem Telefon-Interview.

Zufällig entdecktes Dokument

"Respekt" hatte berichtet, dass der Schriftsteller jener Mann gewesen sein dürfte, der den jungen tschechischen Piloten Miroslav Dvoracek an das Regime verraten hatte. Dvoracek war aus der Tschechoslowakei emigriert und arbeitete für westliche Geheimdienste. Er wurde nach seiner Festnahme in der damaligen CSSR zum Tode verurteilt, seine Strafe wurde später auf 22 Jahre Haft herabgesetzt, von denen er 14 Jahre absaß. Dvoracek fand eine neue Heimat in Schweden.

Bis jetzt war man davon ausgegangen, dass Dvoracek 1950 von einer jungen Frau an den Geheimdienst StB verraten wurde, die er heimlich in einem Studentenwohnheim besucht hatte.

Als Beweismittel wurde ein Polizeiprotokoll vom März 1950 präsentiert, das den Besuch Kunderas auf dem Revier und den Verrat von Dvoraceks Aufenthaltsort zu belegen scheint. Das Dokument war im staatlichen Prager "Institut zur Untersuchung totalitärer Regime" gefunden worden.

"Es ist sehr wahrscheinlich, dass Dvoracek aufgrund der von Kundera gelieferten Informationen verhaftet wurde", sagte Vojtech Ripka vom Institut für Studien über Totalitäre Regime (USTR), dessen Mitarbeiter zufällig auf ein Dokument gestoßen waren, in dem der damalige Student als StB-Informant namentlich genannt wird.

"Attentat auf Autor"

Kundera sprach CTK gegenüber von einem "Attentat auf einen Autor" durch das Institut. Er habe Dvoracek nicht gekannt. Der Artikel behandle eine Angelegenheit, "von der ich gestern nicht gewusst habe und die nicht passiert ist".

Kundera gilt als der bekannteste aus Tschechien stammende Schriftsteller. Mit 24 schrieb er sein erstes Buch, eine Sammlung von Gedichten im stalinistischen Stil ("Der Mensch - ein weiter Garten"/1953). 1948/50 und neuerlich 1956/70 war er KP-Mitglied. Später distanzierte er sich von seinem Frühwerk.

Nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" wurden seine Bücher verboten. Mitte der 70er Jahre emigrierte er nach Frankreich. 1982 erschien sein wohl berühmtestes Werk: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", seine Liebesgeschicht, die vor dem Hintergrund des Prager Frühlings spielt.

Seit den 90er Jahren schreibt er auf Französisch. Er vermied jahrelang Kontakte zu tschechischen Medien und besucht seine Heimat nur ab und zu.

(Ag.)

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