Schriftsteller Gert Jonke gestorben

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Gert Jonke, einer der wichtigsten Autoren der österreichischen Gegenwartsliteratur, ist im Alter von 62 Jahren gestorben. Jonke war 1977 der erste Preisträger des Ingeborg Bachmann-Preises.

Der österreichische Autor Gert Jonke ist heute, Sonntag, früh 62-jährig in einem Wiener Krankenhaus gestorben. Das gab sein Verlag Jung und Jung bekannt. Jonke litt an einer schweren Krebserkrankung, von der er seit Sommer wusste. Mit großer Disziplin hatte er in den vergangenen Wochen noch zahlreiche Termine absolviert. "Vor allem die Nestroy-Preis-Verleihung hat ihm viel bedeutet", so seine Lektorin.

Gert Jonke wurde am 8. Februar 1946 in Klagenfurt geboren. Er war einer der wichtigsten heimischen Autoren der Gegenwart, ein unermüdlicher Sprach-Experimentator. 1969 kam sein erstes Buch "Geometrischer Heimatroman" auf den Markt, der ihn mit einem Schlag international bekannt machte. 1977 war er der erste Preisträger des Ingeborg Bachmann-Preises.

Jonke war unermüdlicher Experimentator

Jonke schrieb Romane, Gedichte, Hörspiele und Drehbücher. In den vergangenen Jahren war er vor allem als Dramatiker tätig. Zuletzt erschien ein Band mit seinen gesammelten Stücken. Gert Jonke war dabei ein unermüdlicher Experimentator, der die Sprache immer wieder zerlegte und neu zusammensetzte. In den vergangenen Jahren hatte er den Schwerpunkt seines Schreibens auf das Theater verlegt. Sein allererstes Bühnenstück war das 1989 entstandene "damals vor graz", das im Herbst 2005 ebendort neu inszeniert wurde.

Das "Insektarium" und "Die Vögel" wurden im Wiener Volkstheater gespielt, "Es singen die Steine" im Stadttheater Klagenfurt. Während etwa "Die Vögel" heftig polarisierten, erntete die "Chorphantasie" 2003 fast uneingeschränktes Lob. In den letzten Jahren folgten im Burgtheater "Die versunkene Kathedrale" (2005) und im Frühjahr 2008 "Freier Fall".

Steter Kritiker des "Literaturbetriebs"

Seine Romane "Der Ferne Klang" (1979), "Stoffgewitter" (1996) oder "Himmelstraße - Erdbrustplatz oder das System von Wien" (1999), eine Sammlung von 15 Erzählungen, wurden vom Publikum und Teilen der Literaturkritik enthusiastisch gefeiert, andere Kritiker wieder zerrissen ihn geradezu lustvoll. Dem Autor war die Kritik immer relativ egal, er mokierte sich gerne über den "Literaturbetrieb". Dieser habe immer weniger mit Literatur zu tun, verkündete er 2003 in seiner "Klagenfurter Rede zur Literatur" zum Auftakt des Bachmann-Preises, den er als erster Preisträger 1977 entgegennahm. Die stets aufs Neue ausgerufene "Krise der Literatur" diente seiner Ansicht nach zur Disziplinierung der Autoren, damit diese "marktgerechte Produkte" ablieferten.

Gert Jonke wurde im Lauf seiner Schriftstellerkarriere mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so erhielt er 1997 der Erich-Fried-Preis und den Franz-Kafka-Literaturpreis, 2002 folgte der Große Österreichische Staatspreis für Literatur und 2005 der Kleist-Preis. 2006 folgte der "Arthur Schnitzler"-Preis. Erst vor wenigen Wochen war Jonke zum bereits dritten Mal mit dem "Nestroy"-Autorenpreis für sein Stück "Freier Fall" ausgezeichnet worden.

Jelinek: "Er war ein großer Sprachkünstler"

Tiefe Bestürzung löste der Tod Gert Jonkes bei Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek aus, die ihren Kollegen würdigte: "Ein großer Sprachkünstler, einer der größten. Er hat mit der Sprache gespielt wie ein Kind mit Seifenblasen, aber es war keine Luft in den Blasen, da war ein sehr raffiniertes und genaues Denken drinnen, und Kind war er auch keins, auch wenn er immer diese kindliche Freude an der Sprache gehabt hat", so Jelinek.

"Er konnte aus zwei, drei notierten Worten ein ganzes Universum entstehen lassen. Wie ein großer Jazzmusiker, der aus einem kleinen Thema eine raffiniert sich verzweigende Improvisation zu Stande bringen kann. Und er war ein genialer Vorleser seiner Texte (übrigens auch fremder Texte!)", schreibt Jelinek.

Schindel: "Entzückender Mensch"

Als "großen Sprachkünstler und entzückenden Menschen" würdigte der Autor Robert Schindel den heute, Sonntag, verstorbenen Gert Jonke. "Es tut sehr weh, dass er so vorzeitig gegangen ist. Wir haben einen großen Dichter verloren." Friederike Mayröcker übermittelte der APA eine lyrische Reaktion auf Jonkes Tod: "Da ist mein Schmerz, er widersetzt sich: es darf nicht sein es soll nicht Wahrheit sein: er war ein Freund sein schmerzlich lächelndes Gesicht wenn ich ihn traf, ich traf zuletzt ihn in der Straße, er war in Eile, eilte fort. Dahin, der große Dichter. Ich wink ihm nach."

Auch auf politischer Seite herrscht Trauer: ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann zeigte sich in einer Aussendung tief betroffen: "Österreich verliert mit Jonke einen bedeutenden Schriftsteller, der mit seinen Erzählungen, Romanen und Theaterstücken viele Menschen erreicht und berührt hat", so Fuhrmann. Für SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen ist Jonkes Werk "eine Bereicherung der österreichischen Theaterszene, seine Sprachexperimente haben stets neue Maßstäbe gesetzt."

(APA)

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