Thomas Bernhard: Der alte Meister

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Vor zwanzig Jahren starb Thomas Bernhard. Seine kunstvoll gefügte Prosa glänzt noch immer, seine Autobiografie bewegt. Die Skandale sind heute ein Rätsel.

An diesem toten Giganten komme keiner vorbei, mutmaßte einst Elfriede Jelinek in ihrem Nachruf auf Thomas Bernhard. Er war am 12. Februar 1989, drei Tage nach seinem 58.Geburtstag, in Gmunden gestorben. Bernhard erlag einer langwierigen Lungen- und Herzkrankheit, sagen die Ärzte. Er sterbe an der Kälte, prophezeite viele Jahre zuvor der Dichter, der mit „Frost“ 1963 auf einen Schlag berühmt wurde, in einem Vierteljahrhundert neun beachtliche Romane, zwei Dutzend aufsehenerregende Stücke, zudem noch Essays und Gedichte schuf.

Nimmt man die inzwischen weltweite Präsenz auf der Bühne und die große Werkausgabe nebst einigen Sammelbänden, behält Nobelpreisträgerin Jelinek recht – und nicht der dritte internationale Star der österreichischen Gegenwartsliteratur, Peter Handke, der Bernhards Frühwerk euphorisch lobte, dann aber etwas auf Distanz ging. Eine undifferenzierte Weltsicht warf er ihm bei dessen letztem veröffentlichten Roman, „Auslöschung“ (1986), vor.

Ein Schwarz-Weiß-Maler. In gewissem Sinne trifft Handkes Einschätzung zu. Bernhard spaltete mit scharfer Beobachtungsgabe, mit einer Schonungslosigkeit, die ihn selbst wohl am meisten betraf. Er ist der Chronist des bürgerlichen Niedergangs, sarkastischer Kronzeuge österreichischer Verworfenheit in einem niederträchtigen Jahrhundert.

Selbst Preisverleihungen werden bei ihm zum Skandal, ein Minister verlässt 1968 Türen schlagend die Feier zum Staatspreis, weil er Bernhards Dankesrede als Angriff auf den Staat wertete. Wie empfand der Dichter diese Situation? „Ich spreche, völlig korrekt, ruhig, vorzüglich und unauffällig gekleidet, ohne geringste Erregung meine philosophische Meditation, um die man mich ausdrücklich gebeten, ja beschworen hatte“, schreibt er süffisant seinem Verleger Siegfried Unseld, „worauf ein Skandal folgt...“.

Die Damen und Herren Karl

Aus heutiger Sicht sind diese Erregungen, mögen sie sogar auch kalkuliert gewesen sein, völlig unverständlich – die miesen Intrigen, nach denen etwa 1984 sein satirischer Roman „Holzfällen“ beschlagnahmt wurde, die Hetze, mit der 1988 die finale Tragikomödie „Heldenplatz“ verfolgt wurde, in der der sterbende Bernhard noch einmal den Damen und Herren Karl im Burgtheater den Spiegel vor das verzerrte Gesicht hielt. In seinem Testament vom 10.Februar 1989 versagte sich Bernhard diesem für ihn gar nicht guten Land und verbat sich, dass „innerhalb der Grenzen des österreichischen Staates, wie immer dieser Staat sich kennzeichnet, etwas in welcher Form immer von mir verfasstes Geschriebenes aufgeführt, gedruckt oder auch nur vorgetragen“ werden dürfe.

Ausgerechnet in dieser todernsten Angelegenheit aber ergeht es Thomas Bernhard wie einem Clown im Zirkus. Man nimmt ihm, den man bei seinen übertriebenen Tiraden so oft beim Wort genommen hat, den Ernst nicht ab, wittert Ironie und ignoriert den letzten Willen. Längst schon ist er ein Klassiker, die Verfügung wird kalt ignoriert, derzeit finden von Wien bis Salzburg geradezu Bernhard-Festspiele statt, er ist ein Staatsdichter geworden; es fehlte nur noch, dass der Große Österreichische Staatspreis in „Thomas-Bernhard-Preis“ umgetauft würde.

Chronik der Nachkriegszeit

Was aber bleibt? Dieser Fangfrage aus einem Dramolett kann man nur mit einer Hyperbel begegnen: Übermäßig viel. Die bei Residenz eben wieder in einem Band herausgegebene „Autobiografie“, eine berührende Sammlung von Dichtung und Wahrheit in fünf Erzählungen, zählt zu den besten Chroniken des vorigen Jahrhunderts. So war es, so ist es noch immer hierzulande.

Von den Romanen möchte man von „Frost“ bis „Auslöschung“ (1986) keinen missen. Über Letzteren schreiben Martin Huber und Wendelin Schmidt-Dengler im Nachwort zu dem 2008 erschienenen Sammelband der Romane, Bernhard habe sich „ein Monument errichtet, das in seinem eigenen Werk nichts Vergleichbares kennt. Massiver als in den früheren Büchern hat er die Kunst der Negation vorexerziert, auch wenn nie so vernichtend über die Kunst an sich geurteilt wird wie in Alte Meister.“ Dieses 1985 veröffentlichte Buch hat Bernhard eine Komödie genannt, und das ist keine Übertreibung. Ganz eng liegen Dur und Moll bei diesem Meister zusammen, dessen gesamtes Werk so wohl gefügt ist.

Schwieriger ist die Einschätzung der Dramen, die von „Ein Fest für Boris“ (1970) bis „Heldenplatz“ an Raffinesse stetig zunahmen. Den besten Darstellern seiner Zeit hat er Rollen auf den Leib geschrieben: Minetti, Hoppe, Ritter, Dene, Voss – intelligente Schauspieler, wie Bernhard anerkennend in einer Anweisung schrieb. Auf dem Höhepunkt seines Könnens hat die meisten dieser Stücke Claus Peymann inszeniert. Was daran skandalös war, ist heute ebenfalls ein Rätsel. Sicher aber ist, dass diese ausgefeilten musikalischen Kunstwerke dem Theater größtes Können abverlangen. Vielleicht liegt es daran, dass die Aufführungen in jüngster Zeit bei weniger intensiver Behandlung an Wirkung verloren haben. Denn bei Theatermacher Bernhard geht es um alles. Es hat „am Ende/vollkommen finster zu sein/ auch das Notlicht muss gelöscht sein/vollkommen finster/absolut finster.“

Bernhard in der Burg

Filme mit und über Bernhard sind heute und am Sonntag im Vestibül zu sehen. Am Freitag im Kasino: „Elisabeth II.“ mit Voss, Kirchner. Am 14.2. bringt Kirchner im Vestibül „Komik ist immer ernst, bis der Komiker sich umbringt“. Am 16.2. wird im Kasino „Ritter, Dene, Voss“, Aufzeichnung aus dem Akademietheater 1986 (Regie: Peymann), präsentiert.

Bei Hoanzl gibt es eine DVD-Box (€ 89,90) mit Burgtheater-Inszenierungen: „Die Jagdgesellschaft“, „Der Theatermacher“, „Ritter, Dene, Voss“, „Heldenplatz“ und „Claus Peymann kauft sich eine Hose...“. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2009)

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