Deng Xiaoping auf der Achterbahn

(C) Rotbuch
  • Drucken

Felix Lees informative Biografie des bedeutenden chinesischen Reformpolitikers.

Felix Lee ist ein Korrespondent, wie ihn die Heimatredaktionen lieben: bienenfleißig, stets mit Themenvorschlägen zur Stelle und flexibel, wenn Wünsche aus der Zentrale kommen. Entsprechend schätzt auch „Die Presse“ ihren Berichterstatter in Peking. Und dann findet er auch noch Zeit, Bücher zu schreiben – wie diese Biografie des großen Reformpolitikers Deng Xiaoping, der der Volksrepublik China Ende der 1970er-Jahre den Weg zum Wohlstand geebnet hat.

Reformpolitiker? Ja, schon, denn Abermillionen Menschen aus Tristesse und bitterster Armut herausgeholfen zu haben, verdient das Attribut „groß“. Aber Deng hatte wie auch der Vorsitzende Mao seine dunklen Seiten, und Lee schwindelt sich nicht wie die offizielle KP-Geschichtsschreibung über diese hinweg: So war er 1956 führend an der „Kampagne gegen rechts“ beteiligt, bei der über eine halbe Million chinesische Intellektuelle brutal verfolgt wurden. Und es war Deng, der im Juni 1989 den Befehl zur gewaltsamen Niederschlagung der Proteste auf dem Tian'anmen-Platz im Peking mit wahrscheinlich mehreren tausend Opfern gegeben hatte.

Es war auch Deng, der einige wichtige Stützpfeiler des immer noch intakten kommunistischen Herrschaftssystems konstruierte. „Ihm ging es immer darum, die KP als Machtzentrum des Landes zu erhalten – mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln“, urteilt Lee. Wiederholt beschreibt er auch das komplizierte Verhältnis zwischen Mao und Deng, das die politische Karriere des kleinen, drahtigen Mannes aus Sichuan zu einer wüsten Achterbahnfahrt werden ließ. Dreimal wurde Deng von Mao degradiert – immerhin, er ließ ihn am Leben.

Das Ergebnis, so Lee: „Mao mag als ,großer Steuermann‘ gegolten haben – tatsächlich dampft der Riesentanker China exakt in die Richtung weiter, die Deng vorgegeben hat.“ Deng wäre es dabei egal, dass um Mao noch immer der größere Kult getrieben wird als um ihn selbst. Denn er wusste: Als Kitt zwischen KP und Volk ist der Mao-Kult unverzichtbar. (b.b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.