Eine Stadt. Ein Buch: Pariser Roman in Wien

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Anna Gavaldas Freundschaftsgeschichte „Zusammen ist man weniger allein“ wird 100.000 Mal in Wien verteilt: Porträt einer von Millionen geliebten Autorin.

Wenn du Stefan Zweig liest und davon berührt wirst, dann bist du ein Außenseiter“, sagte Anna Gavalda vor Kurzem im Interview mit den Veranstaltern der Wiener Gratisbuchaktion „Eine Stadt. Ein Buch.“: „Daraus erklärt sich meine Einsamkeit. Es gibt wenige Menschen, die ich fragen könnte, wie sie sein Buch ,Ungeduld des Herzens‘ verändert hat.“

Dass sich eine Autorin mit Millionen Lesern und unablässiger Fanpost als Außenseiterin fühlen kann, klingt wohl für ihre Leser am wenigsten merkwürdig. Im Roman „Zusammen ist man weniger allein“, der ab Montag in 100.000 Exemplaren in Wien verteilt wird, treffen sich in Paris vier sehr unterschiedliche, auf ihre Art sehr einsame alte und junge Menschen. Sie bilden schließlich eine merkwürdige Zweck-WG und sind am Ende weniger einsam. Das allein ist noch sehr wenig originell, und auch die Figuren sehen auf den ersten Blick klischeehaft aus: der schüchterne und stotternde Postkartenverkäufer Philibert, der ganz gegensätzliche junge Koch Franck, die magersüchtige Camille und die senil werdende Paulette.

„Einfach sein: Subjekt, Verb, Objekt“

Aber was nicht einmal jene bestreiten, denen die Französin als Bestsellerautorin von vornherein verdächtig ist: Gavalda ist eine gute, eine sehr gute Schriftstellerin. Ihre Schlichtheit ist Programm („Man muss einfach bleiben: Subjekt, Verb, Objekt“) und kein Zeichen von Armut. Sie beobachtet gut und bringt ihre Beobachtungen auf den Punkt, ihr Stil ist geschliffen und völlig unmanieriert, sie hat ein feines Gespür für Dialoge und die tragikomische Seite von Situationen.

Ihr Buch „Zusammen ist man weniger allein“, das sich in zwei Millionen Exemplaren verkauft hat und auch mit Audrey Tautou als Camille sehr erfolgreich verfilmt wurde, ist ein „leichtes Buch“, aber nicht im negativen Sinn. Nicht nur als solches ist es wie geschaffen für die Wiener Aktion „Eine Stadt. Ein Buch.“, die ja Gemeinschaft stiften will durch gemeinsames Lesen. Gavalda ist eine notorische Beziehungsstifterin, nicht nur als Autorin, die in ihren Geschichten die Fäden zieht. „Wenn ich ein Buch zu Ende bringe, bin ich traurig und deprimiert“, erzählt sie in einem Interview. „Das ist eine Katastrophe, ich esse kaum noch – aber meine Figuren bleiben immer bei mir, ich lebe mit ihnen. Wenn ich durch die Stadt gehe, denke ich, ah, da hat der gelebt, und, ah, da hat der das gemacht, dabei ist das doch alles von mir erfunden ...“

Eigentlich ist die 43-Jährige in Frankreich dafür bekannt, nur äußerst selten Interviews zu geben, sie versucht dem Rummel um ihre Person wo sie nur kann zu entgehen. Der Ruhm kam für sie auch völlig unerwartet. 1999 veröffentlichte sie in einem winzigen Pariser Verlag eine Sammlung von Kurzgeschichten – nicht gerade ein verkaufsträchtiges Genre – mit dem Titel „Je voudrais que quelqu'un m'attende quelque part“ („Ich möchte, dass jemand irgendwo auf mich wartet“). Letztlich hat sich dieses Buch einer bis dahin völlig unbekannten Autorin fast zwei Millionen Mal verkauft und wurde in 27 Sprachen übersetzt.

Bis heute in einem winzigen Verlag

Anna Gavalda arbeitete damals als Lehrerin, wie früher auch „Harry Potter“-Autorin J.K. Rowling. Dank diesem Erfolg konnte sie sich nunmehr ganz dem Schreiben widmen. Nach dem fast ebenso erfolgreichen Roman „Je l'aimais“ („Ich habe sie geliebt“, 2002) folgte vor zehn Jahren ihr bis heute erfolgreichster Roman, „Zusammen ist man weniger allein“ („Ensemble, c'est tout“). Ihr Verlag Le Dilettant, der eigentlich eine Buchhandlung mit Verlag ist und dem sie immer treu blieb, ist immer noch winzig, konnte aber dank seiner Bestsellerautorin in eine noble Pariser Gegend übersiedeln.

Warum war „Zusammen ist man weniger allein“ so unglaublich erfolgreich? Vielleicht „weil es ein Gefühl der Freundschaft vermittelt“, wie die Autorin selbst ein bisschen ratlos als Erklärung vorschlägt? „Das war unglaublich, weil es Leser zwischen 12 und 92 ansprach. Heute noch fragen mich Leute auf der Straße nach diesem Buch, viele junge Menschen haben das Buch bis zu zehnmal gelesen. Es ist für sie mehr als ein Buch, es ist wie ein Freund in ihrem Leben.“

Gavalda selbst scheint vor allem zu schreiben, um (sich selbst) Beziehungen zu stiften. „Wichtig ist die Verbundenheit des Lesers mit dem Autor im Moment des Lesens. Das ist das einzig wahre Thema eines Buches – das sind diese beiden Einsamkeiten, die einander begegnen: die Einsamkeit des Autors beim Schreiben und die Einsamkeit des Lesers beim Lesen.“

Am Montag, den 24. 11. wird das Buch ab 13.30 Uhr in Wien verschenkt. Infos zu Verteilstellen: einestadteinbuch.at. 25. 11., 16 Uhr: Diskussion/Lesung/Signierstunde im Wien Energie Point, Spittelauer Lände 45.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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Anna Gavaldas Bestseller wird ab 24. November in der Stadt kostenlos verteilt. Der Roman handelt von einer unkonventionellen Wohngemeinschaft.

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