Thomas Raab: Der stille Mörder

(c) Droemer Verlag
  • Drucken

Mit seinem neuen Roman »Still« wagt Thomas Raab einen radikalen Bruch mit seinen erfolgreichen »Metzger«-Krimis. Mit Erfolg.

Das Baby schreit, als es auf die Welt kommt, und es wird lang nicht aufhören zu brüllen. So laut, so erdrückend sind die Geräusche für Karl Heidemann, wurde er doch mit einem extrem sensiblen Gehör geboren. Jeder Ton ein Schmerz, die schrille Stimme der Mutter unerträglich. Erst als ihm der Vater im Keller einen Rückzugsort schafft, kommt das Kind etwas zur Ruhe. Und wächst heran, zu einem dicken, behäbigen Buben, der nicht spricht, aber viel mehr hört als den Mitmenschen bewusst ist.

Als er zehn ist, ertränkt sich die verzweifelte Mutter vor seinen Augen, und Karl begreift den Tod fortan als Erlösung. So friedlich, so schön liegt sie da. Endlich Stille. Karl beginnt, anderen Menschen diesen vermeintlichen Frieden zu geben. Schnell mordet er in Perfektion.

Der Wiener Autor Thomas Raab hat nach sechs erfolgreichen Krimis rund um den verschrobenen Ermittler Willibald Adrian Metzger mit dem Psychogramm des Mörders Karl einen radikalen Bruch gewagt. Der Sprachwitz, die rasant-amüsante Erzählweise der Metzger-Reihe sind einer dichten, intensiven und doch stillen Erzählung gewichen. Reich an Metaphern, die die Geschichte aber nicht überladen, wirft „Still“ große Fragen auf, über Recht und Unrecht, Glaube und Gott.

Vergleiche mit Robert Schneiders „Schlafes Bruder“ und Patrick Süskinds „Das Parfum“ drängen sich nicht nur auf, „Still“ hält ihnen auch stand. Raabs Premiere ohne Metzger ist mehr als geglückt. Ein großer Erzähler, ein großer Roman. mpm

Thomas Raab: „Still“, Droemer Verlag, 388 Seiten, 20,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.