Bitter-süße Bande

(c) Clemens Fabry
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Jami Attenberg erzählt feinfühlig und witzig zugleich die Geschichte einer jüdischen Familie. Von Müttern, die zu viel essen und Ehemännern, die sich davonmachen.

Wenn man Jami Attenbergs Roman „Die Middlesteins“ liest, kommt einem unwillkürlich das Zitat aus Lew Tolstois „Anna Karenina“ in den Sinn: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“

Was ist es, was Familien glücklich macht? Und lässt sich rückblickend ein Moment festmachen, ab dem einst gegebene Versprechen gebrochen wurden und Gefühle sich verflüchtigt haben?

Attenbergs Roman über eine jüdische Mittelschichtsfamilie in Chicago kreist um diese Fragen. Besonders glücklich scheinen die Middlesteins nicht. Warum mäkelt die Mutter Edie ständig an ihrem Mann herum? Wann genau hat er beschlossen, sie zu verlassen? Wieso wehrt sich Tochter Robin so stark gegen eine aufkeimende Liebesbeziehung? Und warum geht ihrem glücklich verheirateten Bruder Benny plötzlich das schöne, dichte, schwarze Haar aus?

Die feinfühlige, pointierte und mitunter sehr witzige Sprache der Autorin nimmt den vielen zwischenmenschlichen Verletzungen aber auch den Schrecken. Man wird hineingezogen in den Beziehungskosmos der Middlesteins, in deren Zentrum Edie, die übergewichtige, an Diabetes erkrankte Mutter steht. Essen ist für sie zum Liebesersatz geworden. Um Edie sorgen sich alle Familienmitglieder, doch eine Lösung ist nicht so einfach gefunden. Das verzweifelte, rührende Suchen danach ist vielleicht das, was Familie ausmacht. som

Jami Attenberg: „Die Middlesteins“, übersetzt von Barbara Christ, Schöffling & Co., 262 Seiten, 22,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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