Trauer in der Familie Barbapapa

(C) Archiv
  • Drucken

Talus Taylor ist tot. Mit seiner Frau, Annette Tison, hat er Kinderbuch-Geschichte geschrieben. Seit 1970 erfreut ihre wandlungsfähige Barbafamilie verlässlich Generationen.

Diese wunderbar weichen Wesen sind die Frucht einer Liebesgeschichte, und sie ist tatsächlich wahr. Vor langer, langer Zeit, in den späten Sechzigerjahren, als das Wünschen noch geholfen hat, zog der Biologielehrer Talus Taylor aus San Francisco, das weit hinten am Pazifischen Ozean liegt, nach Paris. Dort lernte er die junge Architektin Annette Tison kennen. Er blieb. Sie wurde seine Kollegin und Frau. Vor 45 Jahren erfand das Paar nach einem Spaziergang im Jardin du Luxembourg eine Figur, birnenförmig und sanft, an einem wonnigen Maientag in Paris. Ein verliebter junger Mann zeichnete etwas auf eine Serviette, nachdem ihm, dem in der fremden Sprache noch nicht recht kundigen, seine verliebte Freundin ein Wort erklärt hatte, das ein Kind im Park geschrien hatte. Daraus entwickelte sich folgende Geschichte: Geheimnisvolles geschieht im Garten der Familie von François. Ein rosa Klumpen wächst in der Erde, entschlüpft ihr schließlich geschmeidig... Barbapapa ist auf die Welt gekommen.

Beim Barte des Vaters: Zuckerwatte

Noch ist der Vater ganz allein. Er wird in den Zoo gebracht, entflieht, denn der freundliche Proteus ist biegsam wie Plastilin und kann die tollsten Formen annehmen. Es muss nur heißen: „Ra-ru-rick, Barbatrick“, und schon ist er eine Schubkarre, eine Leiter oder gar ein Baum. Man muss es sich nur ganz fest vorstellen und den richtigen Spruch kennen. Im Französischen hüpft er nur so über die Lippen: „Hup-hup-hup, Barbatruc.“ Barbapapa macht sich nach der Episode im Zoo sofort nützlich, rettet Menschen aus einem brennenden Haus. Auf diesen Dicken ist Verlass. Er schützt bald auch Tiere. Erst aber geht die rosa Masse auf Reisen, sucht Seinesgleichen. Damit „Barbe à papa“ (Beim Barte des Vaters: Das bedeutet auf Französisch auch Zuckerwatte) nicht allein sei, erfinden ihm Talus und Annette eine ganze Familie: Barbamama kommt hinzu, ganz in Schwarz, schließlich auch drei Töchter und vier Söhne: die schöne Barbabella (lila), die kluge Barbaletta (orange), die musikalische Barbalala (grün), der kreative Barbarix (blau), der sportliche Barbawum (rot), der künstlerische Barbabo (schwarz und behaart) sowie der Naturfreund Barbakus (gelb). Alle sind angenehm monochrom und originell wie der Vater in ihrer Verformbarkeit.

Aus dem Garten bis in die Antarktis

Diese Barbafamilie kommt überallhin, sogar auf den Mars. Sie ist geschickt. Von solchen Wesen können die einfallsreichsten Handwerker, also die Kinder, noch etwas lernen. Die Geschichten mit dieser fröhlichen Schar sind wahrlich kindgerecht. Die kleinen Leute lieben sie. Kaum jemand kann den flexiblen Säcken seit gut zwei Generationen entkommen (omnipräsent ist auch das Merchandising – seit vier Jahrzehnten ein verlässliches Geschäft mit Plüsch, Plastik und auch Videospielen). Taylor und Tison haben gut ein Dutzend Bücher veröffentlicht, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Aber erst mit 150 kurzen Filmen kam der ganz große Erfolg. Die 1973, 1977 und 1999 produzierte französisch-japanische Zeichentrickserie läuft praktisch in Endlosschleife auf diversen Kanälen im TV, seit 1974 auch auf Deutsch. Die erste Episode beginnt im Garten, die letzte endet in der Antarktis: Ein Tintenfisch sieht schwarz.

Fünf Minuten praktische Idylle

In jeweils fünf Minuten praktischer Idylle sollen Kinder wohl auch zu besseren Menschen erzogen werden. Es weht der Geist der Siebzigerjahre, das zarte Pflänzchen Umweltbewusstsein scheint sich bereits zu entwickeln. „Small is beautiful“ – manchmal ist klein eben bunt und amorph. Kongenial passt die Musik von Ricet Barrier dazu, seine Lieder erkennt jeder Babyboomer sofort wieder, wenn er mit seinen Kindern die TV-Serie noch einmal erlebt. Was ist das Geheimnis dieser Barbawelt? Sie nimmt die Fragen der Kinder ernst, und sie haben meist sehr kluge Fragen. In den Geschichten, die auf den ersten Blick so einfach scheinen, ist sehr viel Lebenserfahrung und Bildung verpackt. Barbapapa, Barbamama und ihr kecker Nachwuchs sind ständig in Bewegung, im Wandel, auf der Suche nach neuen Abenteuern.

Es gibt auch traurige Geschichten, und auch sie sind wahr: Am 19.Februar ist Talus Taylor im Alter von 82 Jahren in seiner Wahlheimat Paris gestorben. Seine Barbatricks aber werden noch viele Generationen jener erfreuen, die sich ihre Kindheit bewahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Medien

45. Geburtstag: Barbapapa als Google Doodle

Die neun bunten Figuren der Barbapapas feiern Geburtstag und Google ehrt sie mit einem eigenen Doodle auf der Startseite.
Barbapapa
Medien

"Barbapapa"-Erfinder Talus Taylor ist tot

Gemeinsam mit seiner Frau Annette Tison kreierte Talus Taylor die wandelbaren Fantasiefiguren, die Protagonisten der Zeichentrickserie. Er starb im Alter von 82 Jahren in Paris.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.