Post von der E-Bibliothekarin

Monika Reitprecht
Monika Reitprecht(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Monika Reitprecht bespielt unterhaltsam die Facebook- und Twitter-Seiten der Büchereien Wien. Von ungewöhnlichen Leseranfragen, den "Tributen von Panama" - und Sickbags in Coelho-Romanen.

Einer der besonders lustigen Einträge ist nur wenige Tage alt. Auf der Facebook-Seite der Wiener Büchereien wurde ein Foto mit einem weißen, ungebrauchten „Speibsackerl“ (auf Englisch deutlich vornehmer: sickbag) einer Fluglinie gepostet. Darunter stand: „Unser jüngstes Fundstück... aus einem zurückgegebenen Paolo-Coelho-Buch, ein durchaus adäquates Lesezeichen.“ Postings wie dieses bekommen über tausend Likes und werden mehr als 50 Mal geteilt oder kommentiert. Immer sind es Erlebnisse aus dem Büchereien-Alltag, verwirrende Anfragen der Leser („Haben Sie die Tribute von Panama?“), kurze Konversationen zwischen Lesern und Bibliothekaren („Ich suche ,Homo Faber‘ von Thomas Mann.“ – „Das ist von Max Frisch.“ – „Warum?“) und immer wieder verzweifelte Anfragen von Schülern, die auf der Suche nach Material für ihre Seminararbeit sind („Für mein Referat such ich ein Buch, das nicht total scheiße ist“).

Die Episoden sind so humorvoll, dabei aber immer noch respektvoll formuliert, dass die Bücherei-Seiten in den sozialen Netzwerken mittlerweile viele Fans haben, fast 40.000 sind es auf Facebook, bald 5.000 auf Twitter. Die Person, die seit 2009 hauptsächlich (aber mit Unterstützung einer Kollegin) für die Tweets und Statusmeldungen auf Facebook verantwortlich ist, wollte zunächst anonym bleiben. Doch spätestens, als der Wiener Milena Verlag bei ihr angefragt hatte, ob sie sich vorstellen könne, die lustigsten Geschichten und Fotos der Fundstücke aus den zurückgegebenen Büchern (leere Pillen-Packung, Liebeserklärungen à la „Willst Du mit mir gehen? Ja. Nein.“, Gedichte, Zeitungsausschnitte) in einem Buch zu sammeln, war Schluss mit der Anonymität. Seither ist Monika Reitprecht bekannt als Digitalstimme und -gesicht der Büchereien –, und sie kennt die Institution tatsächlich ziemlich gut. 1999 begann die Wienerin nach dem Studium der Geschichte und Politikwissenschaften in der ehemaligen Hauptbücherei in der Skodagasse, wechselte danach ausgerechnet in jene Liesinger Bücherei, die sie selbst, als gebürtige Liesingerin, als Kind frequentiert hatte. Später wurde sie Leiterin der neuen Bücherei am Liesinger Platz und kehrte irgendwann zurück in die Hauptbücherei am Gürtel, wo sie sich um die Kunstbücher und die Homepage kümmerte. Das war der Einstieg in das digitale Arbeitsfeld, seit 2009 bespielt sie die sozialen Netzwerke. Bald begann sie auf Facebook gewitzt über die Erfahrungen mit Lesern zu berichten. Das Twitter-Profil nutzt sie stärker, um auf interessante Rezensionen oder Interviews von Zeitungen hinzuweisen.

Braver Leser oder Biertrinker?

Da Reitprecht heute selbst nicht mehr oder nur mehr zur Aushilfe im Kundenbereich tätig ist, greift sie mittlerweile oft auf Anekdoten ihrer Kollegen zurück. Da sie aber auch für die E-Book-Ausleihe zuständig ist, schöpft sie viel aus dem digitalen Kundenkontakt. Da kann es vorkommen, dass Leser die Bücherei regelrecht als Autorität empfinden. Auf das E-Mail mit der Erinnerung: „Sie haben folgende Medien entlehnt, deren Leihfrist demnächst abläuft...“ schrieb der Angesprochene zurück: „Ich habe beide Bücher gelesen.“ Der trockene Kommentar von Reitprecht: „Sehr brav! Das E-Mail mit den Kontrollfragen schicken wir morgen.“ Ein anderer Kunde antwortete auf die Erinnerungsmail: „Das müssen wir bei einem Bier besprechen“. In Großbuchstaben.

Wenn man Monika Reitprecht zuhört, bekommt man den Eindruck, die kleine digitale Erfolgsgeschichte ist ihr einfach so passiert. Dabei hat sie es geschafft, die für manche als verstaubt oder spröde geltende Büchereiwelt klug und humorvoll in die Moderne zu holen. „Bis in die Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war es noch üblich, dass Kunden zu jedem Roman zwei Sachbücher mitnehmen mussten“, erinnert sie sich lächelnd. Zum oft gefragten Sadomaso-Bestseller „Fifty Shades of Grey“ muss heute kein Sachbuch zum Ausgleich mitgegeben werden.

„Den Wiener Leser gibt es nicht“, sagt Reitprecht. Aber es gibt bestimmte Kundentypen: die Oberlehrer oder Pedanten, die Schüchternen (nicht nur bei der Frage nach „Fifty Shades of Grey“), die Ahnungslosen, die gehetzten Mütter („Immer noch mehr als Väter so wie generell mehr Frauen“), Großeltern mit Enkeln und Schüler. Eine weitere Gruppe von Stammkunden in der Hauptbücherei sind Asylwerber, die sich auch wegen der wenigen Computerplätze gern hier aufhalten, oder Studenten, die an einem der Leseplätze lernen. Was macht eine gute, moderne Bücherei aus? „Drei Dinge“, sagt Reitprecht, „dass der Aufenthalt angenehm ist, eine gute Auswahl an Medien und funktionierendes WLAN.“ Durch Reitprechts Statusmeldungen erscheint die Bücherei jedenfalls als lebendige, amüsante Heimat für Leser. Egal, ob sie verzweifelt sind: „Mailen Sie mir dringend meine Kartennummer – ich bin ohne Bücher!“, oder ob sie, nun ja, realitätsferne Vorstellungen vom Arbeitsalltag der Bibliothekare haben: „Ich wünsche Ihnen einen wundervollen sonnigen Nachmittag und viel Spaß beim Lesen interessanter Bücher.“

„Wo stehen hier die E-Books?“ von Monika Reitprecht (Milena Verlag). Präsentation und Lesung mit Angelika Niedetzky: 7.4., 19 Uhr, Hauptbücherei am Gürtel, Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2015)

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