Der Ku-Klux-Klan ist niemals tot

US-Autor Greg Iles gibt sich nicht mit kleinen Thriller-Brötchen zufrieden.
US-Autor Greg Iles gibt sich nicht mit kleinen Thriller-Brötchen zufrieden.(c) Mark Iles
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US-Autor Greg Iles porträtiert in seinem Thriller "Natchez Burning" ein rassistisches Amerika. Es ist der Auftakt zu einer Trilogie – durchaus spannend, aber nicht der ganz große Wurf.

Eines kann man Thrillerautor Greg Iles nicht absprechen: ambitioniert zu sein. Wie anders soll man es nennen, wenn ein Autor 1000 Seiten füllt, um seinen Lesern – verpackt als spannende Geschichte – den Rassismus in den 1960er-Jahren in den USA näherzubringen? Noch dazu mit der Ankündigung, dass „Natchez Burning“ bloß der erste Teil einer Trilogie sein soll.

Iles' Botschaft ist klar: „Die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist nicht einmal vergangen“, zitiert Iles, der selbst in Natchez, Mississippi, lebt, gleich am Anfang William Faulkner. Im Nachwort erklärt er: „Inspiration für viele der hier erörterten Fälle waren ungeklärte, rassistisch motivierte Morde, die in den Sechzigerjahren in der Gemeinde Concordia, Louisiana, und in Südwestmississippi begangen wurden. Bis heute hat es nach diesen schrecklichen Verbrechen nur eine einzige Verurteilung gegeben.“

Die Handlung von „Natchez Burning“ setzt in den von alltäglichem Rassismus geprägten 1960er-Jahren ein, spielt die größte Zeit aber im Jahr 2005. Im Zentrum der Geschichte steht Penn Cage, der Bürgermeister von Natchez, dessen Vater im Verdacht steht, eine schwarze Krankenschwester getötet zu haben. Schon bald wird Penn klar, dass er seinem Vater nur dann helfen kann, wenn er beginnt, in der Vergangenheit zu wühlen, die bis in die Gegenwart nachwirkt. Denn ein geheimer Ku-Klux-Klan-Ableger – die sogenannten Doppeladler – hat nichts an Bedrohlichkeit verloren.


Der Autor will zu viel. Iles verwebt das Rassismusthema mit Verschwörungstheorien rund um die Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy, dessen Bruder Robert und dem schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King. Darüber hinaus schafft er Verbindungen zu Drogenkartellen, Korea- und Vietnam-Krieg sowie den sozialen Umwälzungen in der Folge der Katastrophe in New Orleans nach dem Ausbruch von Hurrikan Katrina im Jahr 2005. Man wird das Gefühl nicht los, dass Iles versucht, seinen US-Kollegen James Ellroy (L.A.-Quartett, Underworld-Trilogie) und Don Winslow („Tage der Toten“) nachzueifern. Bloß spielen die in einer anderen Krimiliga. Iles fehlt die sprachliche Extravaganz und Raffinesse der beiden. Er entpuppt sich mehr als braver Erzähler, der seinen Charakteren zu wenig Tiefe verleihen kann. Auch verwundert es, dass ein episch angelegtes Rassismusdrama ohne eine einzige starke schwarze Stimme auskommt – und das, obwohl Iles aus vielen Perspektiven erzählt.

Ein wenig seltsam mutet auch das allgegenwärtige Misstrauen nahezu aller Figuren an. Keiner erzählt dem anderen etwas freiwillig. Jeder hat etwas zu verbergen, jedem gegenüber – egal, ob Kollege, Partner oder Vater. Interessant ist auch, dass Krankheit und (natürliches) Sterben omnipräsent sind. Das mag sich aber durch Iles' eigenes Schicksal erklären: Dem Autor musste 2011 nach einem schweren Autounfall – bei dem er selbst fast ums Leben kam und sein Vater getötet wurde – das rechte Bein unterhalb des Knies amputiert werden. Hochtrabende Vergleiche wie „Das ist der neue Faulkner für die Breaking-Bad-Generation“ tun dem Thriller, den auch Ken Follett als den besten seit Jahren bezeichnet, jedenfalls nicht gut.


1000 Seiten, aber nie fad. Denn historisch interessierte Leser bekommen viel geboten, wenn es auch nicht die Great American Novel ist. Angenehm ist Iles' nicht anklagender Stil. Und „Natchez Burning“ wird – 1000 Seiten hin oder her – nie fad. Man merkt auf jeder Seite: Iles beherrscht das Spannungsgenre perfekt.

Für Fans gibt es jedenfalls zwei gute Nachrichten. In den USA ist soeben der nicht weniger umfassende Teil zwei der Trilogie „The Bone Tree“ erschienen (der Knochenbaum spielt auch in Teil eins eine wichtige Rolle). Zudem soll die Natchez-Trilogie schon bald zu einer TV-Serie werden.

Neu Erschienen

Greg Iles
„Natchez Burning“
übersetzt von
Ulrike Seeberger
Rütten&Loening
1008 Seiten
23,70 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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