Die 23-jährige Ronja von Rönne löste mit einem kritischen Text über Feminismus eine Empörungswelle auf Twitter aus.
„Ich warte auf die Twitterwelle“, schrieb Ronja von Rönne Anfang April auf Facebook, als sie ihren Artikel mit dem Titel „Warum mich der Feminismus anekelt“ mit der Welt teilte. „Mittlerweile ist der Feminismus eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, nur noch Symptom einer Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime“, schrieb sie darin und bezeichnete (vor allem Netz-)Feministinnen als gescheiterte Frauen, die im Internet mit Katzenbildern um Aufmerksamkeit heischen und sich als Opfer großer Ungerechtigkeiten darstellen würden, anstatt selbstbewusst aufzutreten und das eigene Glück zu verwirklichen.
Die Twitterwelle ließ naturgemäß nicht lang auf sich warten. Die Intensität, mit der von Rönne im Internet beschimpft wurde, dürfte sie aber überrumpelt haben. Der Ring Nationaler Frauen, eine Unterorganisation der rechtsextremen NPD, empfahl den Artikel weiter und drängte von Rönne damit ins rechte Eck, wovon sie sich aber deutlich distanzierte. Ihre Nominierung zum Bachmannpreis Ende Mai sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit. Die Hasswelle gipfelte in einem Tweet, den manche gar als Morddrohung interpretieren.
Verwunderlich ist die Empörung freilich nicht. Eine 23-jährige bekennende Egoistin, die für die Tageszeitung „Die Welt“ arbeitet, als Model tätig war und ein „von“ im Namen trägt, schreibt, sie habe noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil sei – damit macht sie sich zum Feindbild einer Bewegung, die Männerprivilegien abschaffen will. In einem Interview mit dem Frauenmagazin „Woman“ erklärte von Rönne, dass sie als Tochter einer überzeugten Feministin aufgewachsen sei, Gleichberechtigung sei für sie immer ganz natürlich gewesen: „Dass es bei anderen nicht so war und nicht überall selbstverständlich ist, vergesse ich manchmal.“ Reich, adelig und verwöhnt, wie viele ihr vorwarfen, sei sie übrigens keinesfalls: „Ich spare gerade auf einen Lattenrost.“
Pointiert. Von Rönne wurde 1992 in Berlin geboren, wuchs in Oberbayern auf und lebt jetzt in Berlin und Grassau. Dem Feuilleton der „Welt“ fiel sie wegen ihres Blogs „sudelheft.de“ auf, auf dem sie sehr persönliche, literarische und stets pointierte Texte veröffentlicht. Seit einigen Monaten schreibt sie nun für die „Welt“, nicht als „normale Journalistin“, so Feuilleton-Chef Andreas Rosenfelder, sondern um „ungewöhnliche Dinge mit Wörtern zu machen“. Der Feminismus-Text war nicht ihr erster, der Aufsehen erregte, Provokation ist ihr Markenzeichen. Im März schrieb sie etwa über psychisch kranke Menschen, die mit der Diagnose „eine offizielle Berechtigung für ihr Hadern und Scheitern“ hätten.
In Klagenfurt liest sie auf Einladung des Juryvorsitzenden, Hubert Winkels, einen Text, den sie extra für den Wettbewerb geschrieben hat. An ihrem ersten Buch arbeitet sie bereits, es wird im Aufbau Verlag erscheinen, Termin gibt es noch keinen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2015)