Mord, Totschlag und Scherereien

Ein Hirngespinst könne stärker sein als der, der es sich ausgesponnen hat, findet Manfred Koch.
Ein Hirngespinst könne stärker sein als der, der es sich ausgesponnen hat, findet Manfred Koch. (c) Styria Buchverlag
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Manfred Koch hat mit "Totgelacht" eine Sammlung skurriler Kurz- und Kürzestkrimis herausgebracht. Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung inklusive.

Könnte man sich wirklich totlachen, läge das wohl im Ranking der erwünschten Todesarten ziemlich weit vorn, gleich nach dem friedlichen Einschlafen mit hundertdrei. Manfred Koch – 2014 für seinen Psychothriller „Kaltfront“ für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert – unternimmt mit seinem jüngsten Buch, einer Sammlung skurriler Kurz- und Kürzestkrimis, den Versuch, seine Leser zu dieser Todesart zu stimulieren.

Krimikillerkrimismus. Es ist ein satirischer Rundumschlag, gespickt mit teilweise verballhornten Zitaten und Anspielungen, wie etwa schon der Widmung: „Für die üblichen Verdächtigen, von denen es natürlich wieder keiner gewesen sein will.“ Ähnliche Katachresen und Sprachbilder, die eigentlich nicht zusammengehören und in neuer Mischung einen anderen Sinn ergeben, finden sich zuhauf in Kochs kriminalistischem Sammelsurium. An Georg Christoph Lichtenbergs sprachspielerische Aphorismen etwa erinnern die Sinnsprüche, die an drei Stellen in das Buch eingestreut sind und die Manfred Koch als Krimikillerkrimismus bezeichnet. Deren erster etwa lautet: „Der Mensch lebt nicht vom Tod allein.“ Die Sprüche gliedern das Buch nicht, haben keinerlei Bezug zu den darauffolgenden Geschichten und passen damit exakt in das Nonsens-Konzept.

Ob sich Koch mit dieser Anthologie bei seinen Kollegen beliebt macht, bleibt abzuwarten. Genüsslich nimmt er die diversen zurzeit bei Lesern wie Schreibenden so beliebten Genres im Krimibereich aufs Korn. Der Thriller wird genauso persifliert wie – erwartungsgemäß – der Regional- und der mit allen notwendigen Zutaten versehene, zart schmelzende Gourmetkrimi. Sex and Crime dürfen nicht fehlen. Und der Verkaufsschlager schwedischer Krimi wird ebenfalls ins Visier genommen.

So ganz nebenbei macht sich Koch auch über andere gesellschaftliche Befindlichkeiten und Phänomene lustig. In der Geschichte, in der auf einer Universität der perfekte Mord gelehrt wird, erklärt der Universitätsprofessor den fiktiven Studierenden, dass es denselben sehr wohl gebe. Es wäre der an Opfern, die niemandem abgehen. Diese teilt er dann in vier Gruppen ein, wobei sich in der Gruppe des Typs Mengenrabatt – eines gleichförmigen, sich in nichts von anderen unterscheidbaren Menschentyps – die, erraten!, Politiker finden.

Die Umwertung aller Werte. Dass Manfred Koch auch für das Theater schreibt, merkt man diesen sketchartigen Geschichten an. Otto Grünmandl lässt grüßen. Fast immer ist die Geschichte eine Art Dialog, wobei der Gesprächspartner nicht zu Wort kommt, dessen Anliegen jedoch aus dem, was in der Geschichte gesagt wird, sichtbar werden. Eine Technik, die etwa Gustav Ernst in seinem Roman „Grado“ perfektioniert hat. Kochs Anthologie hätte es allerdings durchaus aufgelockert, wenn diese Form durchbrochen, mehr mit anderen durchmischt worden wäre.

Die Skurrilität entsteht häufig durch die Umwertung aller Werte: So unterrichtet, wie oben geschildert, der Schwerverbrecher auf einer Universität, der brutale Serienmörder ist in Wahrheit ein reuiger Jammerlappen.

Krimis leben vom Coup de théâtre zum Schluss. Auch dem entzieht sich Manfred Koch. Das Ende ist oft absehbar. Das stört nicht weiter, der Weg dahin ist amüsant.

Empfohlen wird das Buch auf der Rückseite sowohl Immer-schon-Krimi-Verächtern als auch Krimi-Overkill-Geschädigten, aber ebenso hartnäckigen Krimifans. Letztere werden sich vermutlich auch durch dieses Büchlein nicht von den lieb gewonnenen Protagonisten ihrer Krimifavoriten trennen und diese weiterhin brav kaufen.

Der Genuss der Geschichten ist jedenfalls rezept- und nebenwirkungsfrei möglich, man lacht sich nicht tot, aber man lächelt an vielen Stellen. Alles in allem ein intelligentes Buch zur Kommerzialisierung in der Literatur, speziell des Krimis in jener Form, die rein eskapistische Bedürfnisse befriedigt, wenn überhaupt.

Neu Erschienen

Manfred Koch
„Totgelacht
Krimikillerkrimis“
Styria Verlag
189 Seiten
12,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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