Österreichs Krimi wird global

(C) btb Verlag
  • Drucken

Krimiautor Bernhard Aichner erteilt mit »Totenhaus« dem kuscheligen Regionalkrimi eine Absage. Er könnte künftigen heimischen Autoren den Weg zum internationalen Markt ebnen.

Bernhard Aichner ist erfrischend ehrlich, was seine schriftstellerischen Ambitionen angeht: „Ich bin in einem Möbelgeschäft aufgewachsen. Wenn du nichts verkaufen willst, wirst du auch nichts verkaufen“, sagte er kürzlich gegenüber „Profil“. Dass er mit der Selbstvermarktung kein Problem hat, gab der Thriller-Autor vor drei Wochen auch offen im „Presse am Sonntag“-Interview zu: „Einsame Klause geht nicht. Man muss Interviews geben, Lesungen machen. Die Live-Begegnung mit dem Autor ist wichtig.“ 100 Lesungen im Jahr sind für ihn eine Selbstverständlichkeit. Wie kaum ein anderer heimischer Autor plant Aichner seinen Erfolg von vorn bis hinten durch – und macht keinen Hehl daraus. Und es funktioniert: Von seinem Thriller „Totenfrau“ hat er über 100.000 Exemplare verkauft, seit 25. August ist das Buch in den USA unter dem Titel „Woman of the Dead“ erhältlich.

Nun ist mit „Totenhaus“ Band zwei der Trilogie rund um die außergewöhnliche Bestatterin Brünhilde Blum erschienen. Diesmal wird aus der Jägerin Blum, die den Tod ihres Mannes sühnt, die Gejagte. Denn bei einer Exhumierung werden in einem Sarg ihres Instituts zwei Köpfe und vier Beine gefunden. Schon bald stellt sich heraus, dass es sich bei den zusätzlichen Leichenteilen um jene eines seit einem Jahr verschollenen Schauspielers handelt.


„Shining“ lässt grüßen. Aichner bleibt sich treu. In seinem markanten und minimalistischen Stil treibt er die Geschichte erneut ohne Kompromisse rasant voran. Handelte es sich bei Teil eins um eine lupenreine Rachegeschichte, drängt sich diesmal allerdings der Vergleich mit Stephen Kings Psychothriller „Shining“ auf. Ein unheimliches, hunderte Zimmer umfassendes leer stehendes Hotel im Schwarzwald in Deutschland ist diesmal einer der wichtigsten Hauptdarsteller des Buchs.

Es sind große Schuhe, in die der 43-jährige Österreicher da schlüpft. Aber sie passen ihm nicht schlecht. Allerdings muss man sich ganz und gar darauf einlassen und in Kauf nehmen, dass er es manchmal heftig übertreibt (Stichwort: Inzest). Auch der Plot ist einigermaßen konstruiert und nicht unbedingt glaubwürdig. Man sollte also nicht zu viel hinterfragen.

Dennoch: Wer sich wissend, was da kommt, auf die Lesereise begibt, wird nicht enttäuscht sein. Es ist ein Genuss, sich derart durch die Seiten peitschen zu lassen. Mit dieser Kunst, atemlose Spannung aufzubauen, reiht er sich problemlos in die Riege der ganz Großen des US-dominierten Thriller-Genres ein. Pageturner trifft bei Aichner im wahrsten Sinne des Wortes zu.

Ein Schwäche, die man Aichner gern unterstellt, ist eigentlich eine seiner Stärken: Er verleiht seinen Figuren keine besondere Tiefe. Dadurch bleibt aber eine Distanz bestehen, die ein Abdriften in Gefühlskitsch oder billigen Voyeurismus verhindert. Diese Art des kühlen, eindringlichen Erzählens hebt Aichner wohltuend von der Thriller-Massenware ab.

Der in Osttirol aufgewachsene Schriftsteller schlägt konsequent einen anderen Weg ein als viele seiner Kollegen. Während diese weiterhin auf den Boom von Regionalkrimis setzen, gibt sich Aichner mit kleinen Krimi-Brötchen nicht zufrieden. Seine Blum-Serie lebt davon, global zu funktionieren. Möglicherweise ebnet er damit künftigen heimischen Krimiautoren den Weg zum internationalen Markt. Das Label des skandinavischen Krimis nutzt sich gerade ab, eine Nische für weltweit zu entdeckende Austro-Autoren scheint offen.


Konkurrent aus Österreich. Dass es auch ganz ohne PR-Offensive geht, zeigt übrigens ein Landsmann. Der nahezu unbekannte Thrillerautor Andreas Gruber hat etwa allein von seinem Spannungsroman „Todesfrist“ im deutschsprachigen Raum mehr als 180.000 Exemplare verkauft (sein neuer Thriller „Racheherbst“ erscheint Mitte September). Auch eine andere Messlatte hat Gruber hoch gelegt: Von seinen sechs Büchern beim Goldmann-Verlag gingen mittlerweile 500.000 Stück über den Ladentisch.

Das muss ihm Aichner erst einmal nachmachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.