Buch: Partnersuche im Postfeminismus

(C) Verlagsbuchhandlung Liebeskind
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Inside Brooklyns Boheme: Die New Yorker Autorin Adelle Waldman beschreibt das Liebesleben des jungen Nathaniel – einem aufstrebenden Jungautor mit Bindungsangst.

Von außen besehen ist Brooklyn ein Paradies für Partnersuchende: eine hohe Konzentration an jungen Menschen, die ähnliche Kaufentscheidungen treffen, die sich einig sind, dass Bio-Burger, qualitätsvolle Rotweine, Karo-Hemden und „New Yorker“-Lektüre zum guten Leben dazugehören. Diese jungen Menschen sind alle irgendwie auf der Suche. Doch wonach genau? Und was, wenn man bei der Suche dem anderen zu nahe kommt?

So besehen hat das Paradies eine Kehrseite: Da Brooklyn ein großes Dorf ist, läuft man ständig Gefahr mit jenen zusammenzustoßen, die man lieber nicht noch einmal treffen möchte. So wie Nate eines Tages seiner Ex, Juliet, auf der Straße begegnet. Mit Juliet, einer aufstrebenden Journalistin beim „Wall Street Journal“, hatte er einst eine Affäre begonnen, die mit einem geplatzten Kondom geendet hatte. Und einer Abtreibung.

Nate, der mit vollem Namen Nathaniel Piven heißt, hat eigentlich gute Voraussetzungen dafür, alles richtig zu machen. Er, so wird über ihn vermerkt, „war ein Produkt des Postfeminismus, Kindheit in den 1980ern, politisch korrekt erzogen, Studium in den 1990ern. Er wusste alles über männliche Privilegien. Außerdem besaß er ein funktionsfähiges und ziemlich lautstarkes Gewissen“. Nate, ein aufstrebender Publizist, der das Erscheinen seines ersten Buches kaum erwarten kann, weiß, wie Frauen denken und was sie wünschen. Nate ist kein Grobian und kein Macho, er ist, wie die meisten seiner Generation, ein Vertreter der distinguierten, ironisch-gebrochenen Männlichkeit. Was ihn aber dennoch nicht davon abhält, in Krisensituationen ziemlich konventionell zu denken und zu handeln.

Widerspruch ist sexy – oder nicht? Die junge US-amerikanische Autorin Adelle Waldman (sie ist selbst in Brooklyn zu Hause und stammt wie ihr Protagonist aus Baltimore) zeichnet das Bild eines recht selbstzufriedenen Flaneurs, der Beziehungen beginnt und sich wieder davon befreit, bevor es zu ernst wird. Auf einer Dinnerparty, zu der er durch die unglückliche Begegnung mit Juliet verspätet erscheint, lernt er Hannah kennen. Anfänglich ist Nate von der geistreichen jungen Frau mit ihrer „unverkrampften Bereitwilligkeit, ihm zu widersprechen“, hingerissen. Nach vier Monaten ist es wieder vorbei. Was ist passiert?

Waldman beschreibt in der zweiten Hälfte des Buches mit feiner Ironie und großer Beobachtungsgabe den Zerfall der Liebesbeziehung – äußerst überzeugend aus der Perspektive von Nate, der reflektiert und probiert, und doch nicht aus seiner Haut kann (fast sieht man es ihm nach, fast!). Nate geht die Herzenssache zu nahe, er sucht sich neue Beschäftigungen und Projekte, isoliert sich, worauf Hannah mit einer Unsicherheit reagiert, die ihren Partner nur noch weiter von ihr wegtreibt.

„Das Liebesleben des Nathaniel P.“ ist eine Geschichte, die stellvertretend für eine junge Boheme steht, die von Geldknappheit, Kreditsorgen und Mietrückständen geplagt ist. Die nach demCollege vorgesehene Heirat und Familiengründung ist ausgeblieben. Beziehungen kommen und gehen, und am Ende schwört man sich, künftig werde alles „anders“. Hannahs Nachfolgerin ist eine Diva, die Nate regelmäßig unschöne Szenen macht. Zumindest das scheint für ihn leichter verkraftbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2015)

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