Heike Faller: Immerhin nichts verloren

Heike Faller
Heike Faller(c) random house / bertelsmann
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Wie ist das, wenn man sich als Hobbyspekulantin mit 10.000 Euro an die Börse begibt und nur auf Gold setzt? Und wie fühlt man sich als Isländer im und nach dem Krisenjahr 2008? Zwei Erfahrungsberichte aus der Krisenzone.

So plus/minus null Prozent.“ Das ist Heike Fallers Antwort auf die Frage, wie denn ihr Verdienst an der Börse nach einem Jahr aussieht. Nicht schlecht, mag sich manch ein Hobbyspekulant denken, den die Finanzkrise hart getroffen hat: Immerhin nichts verloren.

Faller ist da weniger euphorisch. Immerhin hat sie sich etwas ganz anderes vorgenommen: Sie wollte ihr Einstiegskapital von 10.000 Euro verdoppeln. Das hat nicht ganz geklappt. Der Ausritt in die wunderbare Welt der Geldvermehrung beginnt Anfang 2008. Da fährt die Journalistin – sie ist Autorin für das „Zeit“-Magazin – mit Ersparnissen im Wert von 40.000 Euro im Rucksack in den Süden Deutschlands, in die Oberpfalz. „Zwei tapfere Sparkassen-Männer, mountainbikefahrende, dialektsprechende Naturburschen mit einer unverhohlenen Verachtung für die Karrierebanker“, die sie von früheren Recherchen kannte, haben ihr dort zur Anlage in Gold geraten. Das (damals überzeugende) Argument: Sein Kurs werde weiterhin steigen, egal, was rundherum passiere.

Berauscht von der (angeblich) einzig richtigen Anlage, beschließt Faller, in das richtig spekulative Geschäft einzusteigen. Ihre Abenteuer beschreibt sie in „Wie ich einmal versuchte, reich zu werden“ als unterhaltsames Einjahresexperiment. Das Ziel, wie gesagt: ein Gewinn von 100 Prozent. Sie eröffnet ein Depot und kauft Optionsscheine auf AngloGoldAshanti, den drittgrößten Goldförderer der Welt.

Durchaus launig (und ganz nebenbei einiges an einschlägigem Fachvokabular vermittelnd) nimmt die Autorin die Leser mit auf ihren Trip zu Börsengurus (nach vielen Versuchen schafft sie es sogar, Investmentbanker George Soros zu treffen; seine Anlagestrategie entlockt sie ihm aber nicht) und in Emerging Markets wie den Irak, auf Goldmessen, Spieltische und in die intellektuellen (Un-)Tiefen der Neuroökonomie. Doch dann kündigt sich die Bankenkrise an, und der Goldpreis sinkt – wider Erwarten. Zu Jahresende hat Faller 10.155 Euro auf ihrem Konto.
Lust und Frust in der Krise. Von einem „Break-even-Point“, einem Ausstieg ohne Verluste, haben die Isländer im vergangenen Jahr nur träumen können. Dem ehemaligen Klassenbesten in wirtschaftlichen Dingen ging 2008 als Erstem buchstäblich die Luft aus. Was zwei Autoren – so wie Faller keine Ökonomen – dazu veranlasst hat, die Theorie aufzustellen, dass „wir alle Isländer sind“, weil nun ja die ganze Welt mit der Weltwirtschaftskrise leben muss. Über „Lust und Frust, in der Krise zu sein“ schreiben der ehemalige Verlagsleiter Halldór Gudmundsson und der Journalist Dagur Gunnarsson.

Wobei man sagen muss: sie haben ein bisschen zu viel versprochen. Nach der Lektüre des Klappentexts und den ersten paar Seiten erwartet man ein ironisches Buch über das Dasein als Isländer, eine Art Ratgeber aus dem hohen Norden für den Rest der Welt. Herausgekommen ist ein bemühtes Buch mit einem Essay über den rasanten Aufstieg und Fall „eines sagenhaft kleinen Landes“, danach folgen zehn Porträts von Krisengewinnern und -verlierern. Ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 6,1 Prozent pro Jahr war für die Isländer lange Zeit nichts besonderes mehr, sondern erfreuliche Realität. 2008 kam der Fall vor allen anderen. „In den ersten Wochen nach dem Kollaps machte sich die halbe Welt über uns lustig. Ausländische Journalisten strömten in Scharen ins Land. Wir waren wie Ratten in einem Versuchslabor.“ Schön und gut, ein Zukunftsszenario trauen sich die Autoren nicht zu zeichnen.

Etwas klüger scheint Heike Faller nach ihrem Spekulationsjahr zu sein: „Ich hatte auf eine Krise gesetzt, und trotzdem bin ich nicht reicher als vor einem Jahr. Vielleicht ein wenig klüger. Die Lernkurve war sehr steil.“ Dazu gehöre unter anderem, dass ihr der Kapitalismus „endlich sympathisch geworden ist“. Wenn das, angesichts der Krise, keine Erkenntnis ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2009)

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