Die Erzählung der Österreicherin stieß bei der Jury auf wenig Positives. Der Text sei "ärgerlich", kitschig und funktioniere nicht. Ralf Bönt löste mit seiner Reise in die Welt der Physik eine kontroverse Debatte aus.
Mit Linda Stift hat am Freitag der zweite Tag des Lesewettbewerbs um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt begonnen. Sie fiel mit ihrer Erzählung "Die Welt der schönen Dinge" bei der Jury allerdings durch. Ralf Bönt erging es besser, sein Text löste eine kontroverse Debatte aus. Weniger Zustimmung fand auch der Schweizer Karl-Gustav Ruch.
Ein "ärgerlicher" Text
In dem Text "Die Welt der schönen Dinge" der Österreicherin Linda Stift geht es um illegale Einwanderer, die gegen Bezahlung von Schleppern in Lastwagen über die Grenzen geschmuggelt werden. Stift beschreibt minuziös die Fahrt im Laster, die Gefühle der Insassen, ihre Hoffnungen und Erwartungen. Endlich angekommen, werden sie umgehend wieder zurückgeschickt.
"Es ist ein Text, den ich sehr ärgerlich finde", erregte sich Ijoma Mangold. Er ortete moralische Erpressung und "Verallgemeinerungskitsch". Auch Meike Feßmann lehnte die Erzählung ab, da die Wir-Perspektive eben nicht funktioniere. Karin Fleischanderl verteidigte die Autorin vehement, sie gebe diesen Menschen "die Würde zurück". Burkhard Spinnen bezeichnete den Text als quasi "Universal Refugee", der sämtliches Flüchtlingselend der Welt vereinen wolle, was nicht funktioniere.
Aus der Perspektive eines Schallteilchens
Der Autor und Physiker Ralf Bönt las seinen Text "Der Fotoeffekt". Er befasst sich damit mit Michael Faraday und Heinrich Hertz und deren Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität. Beide Männer verwendeten bei ihrem Experimenten Quecksilber, dessen Giftigkeit damals noch nicht bekannt war, und trugen schwere Folgeschäden davon. Die Pointe der Geschichte: Er erzählt aus der Perspektive eines "Phonons", eines Schallteilchens.
Hildegard Keller bezeichnete den Autor als "Kamikaze", die Erzählperspektive sei "tollkühn". Paul Jandl meinte, er wisse bis zum Ende nicht, "was mir der Text erzählen will". Außerdem ortete er "sprachliche Inkohärenzen". Fleischanderl kritisierte Bönts "an der Oberfläche glänzende Sätze", die einer näheren Prüfung aber nicht standhielten. Meike Feßmann verteidigte den von ihr vorgeschlagenen Autor naturgemäß. Mangold gab sich "sehr beeindruckt".
"Ehrbare Trivialliteratur"
Den Vormittag beschloss der in Barcelona lebende Schweizer Karl-Gustav Ruch mit seiner Erzählung "Hinter der Wand". Der in Barcelona lebende Schweizer beschreibt darin das Leben in einem Mietshaus, wo die Brandmauer die Geräusche aus den einzelnen Wohnungen durch das ganze Haus trägt. Ein plötzlich "fremdes" Geräusch, dessen Ursache der Ich-Erzähler ergründen will, führt zu heftigen Spekulationen: Möglicherweise sei ein wenige Tage zuvor entführter Bankdirektor irgendwo im Haus versteckt, geteilt nur durch die Brandmauer. Schließlich geraten Migraten in Verdacht, in die Sache vewickelt zu sein.
Alain Claude Sulzer fand den Anfang "vergnüglich", später sei dem Ganzen dann die Luft ausgegangen. Sein Kollege Spinnen war der gleichen Meinung. Feßmann hielt dagegen, sie habe die Geschichte "gern gelesen". Keller verglich den Text mit Josef Roths "Hotel Savoy", der Text würde allerdings eine Kürzung vertragen. Mangold nannte die Erzählung "ehrbare Trivialliteratur". Jandl hielt dagegen, er sah ein stark ironisches Element, einen Text der Einsamkeit, fast eine "Kammeroper". Auch Fleischanderl verteidigte den Autor.
Am Nachmittag werden die Deutschen Jens Petersen und der Deutsche Andreas Schäfer lesen. Für Samstag wurden Gregor Sander, Andrea Winkler, Katharina Born und Caterina Satanik ausgelost.
(APA/Red.)