Bachmann-Wettbewerb: Sprechen statt lesen

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In Klagenfurt setzten manche Teilnehmer mehr auf die Art des Vortrags als auf die Inhalte. Die Jury war wenig erbaut, aber auch wenig einig.

Eine eindeutige Favoritin gibt es am zweiten Tag des Bachmann-Wettbewerbs: Clarissa Stadler, die neue Moderatorin. Sie könnte einen neu zu schaffenden Preis für die engagierteste Anwältin der Autoren erhalten. Hat einst Ernst Grandits mit sonorer Stimme und strikter Neutralität versucht, Ordnung in erhitzte Jurorendiskussionen zu bringen, hat sich Dieter Mohr mit zum Teil peinlichen Kommentaren im Vorjahr in Szene gesetzt, so führt nun mit Clarissa Stadler jemand Regie, der selbst Prosa schreibt. Kenntnisreich korrigiert sie Textverkennungen von Juroren. Nicht, dass es in diesem Jahr bereits allzu heftige Auseinandersetzungen gegeben hätte, eher Geplänkel. Flau waren auch die Texte des ersten Lesetags.

Liegt es daran, wie Neojurorin Karin Fleischanderl nach der Lesung von Philipp Weiss anmerkte, dass alles bereits geschrieben sei oder am Prozess des Zusammenfindens der neuen Jury? Ist das Verfertigen eines Textes das letztverbliebene Thema der Literatur? Diese Frage drängte sich nach Philipp Weiss' Text „Blätterliebe“ auf. „Ich schreibe mit der linken Hand und streiche mit der rechten durch“, begann sein Beitrag. Konsequenterweise verspeiste er nach dem Ende der Lektüre ein Blatt Papier. „Ein hinterhältiges Märchen auf den Bachmannpreis selbst“, so die neue Schweizer Jurorin Hildegard Elisabeth Keller. Oder doch nur ein kläglicher Versuch, an die aktionistischen Bachmannpreiszeiten anzuknüpfen?

Wichtiger als Weiss' verdorbener Magen war sein Vortrag. Wurde doch vom Juryvorsitzenden Burkhard Spinnen bei der Diskussion angemerkt, dass er aufgrund der Art seines Vortrags die Zuhörer mit Literatur als „vorgelesenem Text“ konfrontiere. Das war dann auch beim nachfolgenden Beitrag der Fall, als Karsten Krampitz seine Spitzelgeschichte mit ziemlicher Verve vortrug. Alain Claude Sulzer, ein unaufgeregter Beobachter, fesselte an Krampitz mehr seine dramatische Lesung als die Literarizität des Textes. So aufgeladen, wie die Geschichte mit religiösem Vokabular war, so altdeutsch bieder kam sie formal daher. Aufmerksamkeit und Interesse erregte der Text jedenfalls mehr als „Hörkassette“ (Alain Claude Sulzer) denn als lesenswerte Prosa.

„Kühn“ oder „aufgebrezelt“?

Als Favorit des zweiten Tages ging Ralf Bönt ins Rennen. Und für den gelernten Physiker hätte es eigentlich ein leichtes Spiel werden können, war die Steirerin Linda Stift, die vor ihm angetreten war, bei der Jury doch ziemlich abgeblitzt. „Erpresserische Struktur“ warf Juror Ijoma Mangold ihrem Text vor, und „unlautere Mittel“. Vom Thema her war Stifts Beitrag der bisher brisanteste: Schlepperwesen, Migration, Wirtschaftsflüchtlinge. Die literarische Umsetzung wurde nach Ansicht der Jury dem Thema aber gar nicht gerecht.

„Kühne, tolle und tollkühne Perspektive“, attestierte Hildegard Keller dem Text Bönts, der aus der Sicht eines „Phonons“, eines lange unentdeckten Schallteilchens, geschrieben ist. Diese Perspektive ermöglicht vieles, allzu vieles vielleicht, wie Neojuror Paul Jandl meinte, nämlich auch eine „aufgebrezelte Sprache“, die verführe.

„Soll ich mich quälen statt verführen lassen?“, fragte daraufhin Jurorin Meike Feßmann. Übereinstimmung hat es in der Jury also auch am zweiten Tag nicht gegeben, was gut für die Kandidaten des dritten Tages ist. An der Rampe stehen dort neben Gregor Sander und Katharina Born noch die beiden Österreicherinnen Catarina Satanik und Andrea Winkler. Die Preisermittlung für die fünf Preise, die beim Bachmann-Wettbewerb vergeben werden, findet am Sonntag, dem 28. Juni, ab 11 Uhr statt und wird von 3sat live übertragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2009)

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