Was Putin-Versteher nicht verstehen

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Zwei Historiker geben Erklärungen zur jetzigen deutsch-russischen Beziehungskrise.

Deutschland und Russland: „Es gibt da eine tiefe, gegenseitige Faszination, obwohl man beiderseitig immer wieder versucht hat, einander umzubringen“, beschreibt der frühere tschechische Außenminister dieses „sadomasochistische Liebesverhältnis der Weltpolitik“.

Momentan kriselt es wieder – und ein Deutscher und eine Russin, die beide Länder jeweils sehr gut kennen, versuchen in diesem Buch Einsichten in die Beziehungskrise zu geben. Für den Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, mit seinen zahlreichen Russland-Büchern ein unentwegt bemühter Brückenbauer nach Russland, ist seit Wladimir Putins verstecktem Krieg gegen die Ukraine seine bisherige (Erkenntnis-)Welt zusammengebrochen. „Wir müssen in unserer Beschäftigung mit Russland ganz neu anfangen“, fordert er in diesem Büchlein mehrfach.

Schlögel ärgert sich, dass in Deutschland ständig nur über die von Deutschen an „den Russen“ im Zweiten Welt begangenen Verbrechen geredet würde: „Verschwiegen wird aber, dass diese Verbrechen an den Völkern der Sowjetunion, also nicht nur an Russen, sondern auch an Ukrainern, Weißrussen, vor allem aber an den sowjetischen Juden begangen wurden.“ Die sogenannten Russland-Versteher verstünden das Einfachste nicht: „Dass die UdSSR nicht nur aus Russland bestand.“

Schlögel ärgert auch, dass die vielen Talkshows zu Russland im deutschen TV „mit Russland gar nichts zu tun haben, sondern sie sind Abrechnungen mit den USA: Putin ist der Mann, der es den Amerikanern zeigt.“ Der Putin-Diskurs in Deutschland sage deshalb vor allem etwas über den tief verwurzelten Antiamerikanismus in der Bundesrepublik aus.

Die Moskauer Historikerin Irina Scherbakowa klagt im Buch vor allem den Missbrauch der Geschichte durch die heutigen Machthaber in Moskau an: „Man beschwört erneut den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg, verschweigt die Schrecken des Krieges, missbraucht die Begriffe Faschismus und Antifaschismus im Streit mit der Ukraine.“ b.b.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2016)

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