Endlich gelüftet: Das Rätsel um A.E.I.O.U.

Martin Haidinger (Archivbild)
Martin Haidinger (Archivbild)Clemens Fabry
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Haidingers humorvoll-rasanter Parforceritt durch die Jahrhunderte heimischer Geschichte.

Als der 15-jährige Martin Haidinger als Austauschschüler in England war, bedauerte ihn seine Gastfamilie, weil er in Österreich im Ostblock, hinter dem Eisernen Vorhang, leben müsse. Die Unkenntnis im Ausland über das winzige Österreich hat ihn schon damals geärgert, und das war 1984. Schon der britische Staatsmann Antony Eden hatte im Zweiten Weltkrieg dem Thronprätendenten Otto von Habsburg erklärt: „Was ist schon Österreich? Fünf Habsburger und ein paar hundert Juden . . .“

Aber was ist Österreich denn tatsächlich? Haidinger, der Historiker, der für den ORF eher untypische Feingeist und begnadete Vortragskünstler, der Experte für die k.u.k. Zeit, Freund des HGM und allen studentischen Brauchtums, begibt sich also auf einen Parforceritt durch etliche Jahrhunderte österreichischer Geschichte. Er erzählt uns nichts Neues, aber er tut es in freundlichem Plauderton, sodass man ihm gern zuhört. So etwa, dass die Geschichtsschreiber erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts das österreichische Herrscherhaus eher spöttisch nach seinem bescheidenen schweizerischen Stammsitz „die Habsburger“ nannten.

Haidinger versucht eine Geschichtserzählung, die originellerweise von hinten beginnt. Also von Franz Joseph zurück. Immer tiefer in die Jahrhunderte. Er hat zusammengezählt, wie viele Audienzen, meist nur für drei Minuten, der alte Kaiser in seiner Regierungszeit gab. 250.000 werden es gewesen sein. Sehr grob geschätzt.

Und er beeindruckt mit einem einfachen Gedankenexperiment: Man stelle sich Österreich im Jahr 2016 vor. Das Staatsoberhaupt (86) wäre bereits seit 1948 im Amt. Also drei Jahre nach Ende des Weltkriegs. Unvorstellbar für heutige Begriffe. Hundert Jahre zuvor war das Realität. Eine halbe Ewigkeit.

Vom Ötzi, der heute 19 noch lebende Tiroler als genetisch eindeutige Nachfahren hat, über die Völkerwanderung, die so nie stattgefunden hat, über die Babenberger, die angeblich aus Bamberg stammten, geht es im Sauseschritt mit den Nibelungen zur christlichen Missionierung des Landes unter und ob der Enns. Und so ganz nebenbei erklärt er uns das Buchstabenrätsel Friedrichs III., „des Reiches Erzschlafmütze“ – A.E.I.O.U. Der Arme wurde 78-jährig nach rekordverdächtigen 53 Herrschaftsjahren bei lebendigem Leib tranchiert. Ein faulendes Bein wurde ihm abgesägt. Und so dürfte er gebrüllt haben: AEIOUWEH! Auch eine Erklärung. Sie stimmt vielleicht eher als alle bisherigen gelehrten Versuche. (hws)

Martin Haidinger: „Franz Josephs Land“
Eine kleine Geschichte Österreichs
Amalthea, 320 Seiten, 24,95 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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