Dionysos und andere Götter am Arlberg

Konrad Paul Liessmann.
Konrad Paul Liessmann.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Köhlmeier und Liessmann lockten zum 20. Philosophicum Lech. Thema ist heuer: „Über Gott und die Welt“.

„Jetzt wagt es nur, tragische Menschen zu sein: Denn ihr sollt erlöst werden!“, rief Nietzsche am Schluss von der „Geburt der Tragödie“ den Lesern zu: „Ihr sollt den dionysischen Festzug von Indien nach Griechenland geleiten!“ Und gleich weiter an den Arlberg – könnte man nach dem Abend im Mumok sagen, bei dem Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann in schöner Tradition einen Bogen vom vorigen zum nächsten Philosophicum spannten. Über das Bilden und (auch gentechnische) Optimieren des Menschen hat man 2015 in Lech gesprochen (das Buch ist schon bei Zsolnay erschienen), heuer ist das Thema scheinbar pauschal „Über Gott und die Welt“.

So erzählte Köhlmeier über einen Gott mit wilder Genese, die wie eine Parodie heutiger Fortpflanzungstechnik anmutet: über Dionysos, geboren aus dem Oberschenkel des Zeus, entstanden aus dem Herzen des Zagreus, den Zeus mit der Kore zeugte, indem er als Schlange in sie kroch, und das alles unter den eifersüchtigen Augen der Hera. Zugleich ein Zugereister, der den Griechen immer ein „fremder Gott“ blieb, ein Außenseiter im Olymp, zugleich ein Gegenpol zum sonnigen, vernünftigen Apoll. Und ein Gott, der wird, der reift, der kommende Gott, als den ihn die Romantiker schätzten.

Zurück zur Natur?

In seinen Mythen und Riten wird Dionysos, der weit mehr als ein naiver Trunkenbold war, wiedergeboren, zerrissen und verzehrt – der Vergleich zu Osiris liegt nahe, aber auch zu Christus. Mit weniger ethischem Engagement freilich. „Wie wäre es, im Sinn des Dionysos die Welt nur noch ästhetisch zu betrachten?“, fragte Liessmann: „Dann wäre alles gerechtfertigt.“ Der Rausch, den die Anhänger des Dionysos suchten, sollte ihnen einen neuen, zugleich alten Blick auf die Welt öffnen: „Unter dem Zauber des Dionysischen“, schrieb Nietzsche, „feiert auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur wieder ihr Versöhnungsfest mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen.“

Klingt nach der neuen Naturreligion des New Age, von der wir schon gedacht haben, sie werde allen dämmern, bis sich der Monotheismus wieder mächtig meldete. Auch darüber wird in Lech gewiss die Rede sein, der Soziologe Heinz Bude wird über „Gottessehnsucht und Systemfatalismus“ sprechen, der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide über Gottesvorstellungen, zum Impulsforum kommt u. a. die türkische Islamkritikerin Necla Kelek. Rüdiger Safranski behandelt den Willen zum Glauben. Am Abend gibt's dionysisch gemischten Satz: Lecher Festwein.

20. Philosophicum Lech: von 21. bis 25. 9., Anmeldung auf www.philosophicum.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2016)

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