Jonas Jonasson: Das Leben, ein einziger Spaß

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Jonas Jonasson schreibt seit dem "Hundertjährigen" verlässlich Bestseller. Doch "Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind" kommt nicht so recht vom Fleck.

Zuerst die gute Nachricht: Die vielen Fans von Allan Karlsson dürfen aufatmen. Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg, verschwand und in den Bücherregalen von Millionen begeisterter Leser wieder auftauchte, bleibt der unangefochtene Star im Universum schräger Vögel des schwedischen Schriftstellers Jonas Jonasson. Die nicht so gute Nachricht ist, dass Jonassons neuestes Buch, „Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind“, nicht an seinen ersten Erfolg heranreicht. Auch wenn das Buch, sozusagen reflexartig, kurz nach seinem Erscheinen auf Deutsch die Bestsellerlisten in Österreich, Deutschland und der Schweiz anführt.

Jonas Jonasson ist nicht der erste Autor (und wird auch nicht der letzte sein), der einmal erfolgreiche literarische Markenzeichen so lang ausreizt, bis sie verdächtig nach Schema F klingen. Im Falle von Jonasson bedeutet das eine Hauptfigur vom Schlag des weisen Narren, einen schwedischen Verwandten von Forrest Gump, der der Welt einen Spiegel vorhält, selbst aber immer auf die Füße fällt. Zur Seite stehen dem Protagonisten möglichst skurrile Nebenfiguren, die allesamt sympathisch wirken, auch wenn sie das eigentlich gar nicht sind. Alles geht immer gut aus, Verwicklungen werden durch wundersame Zufälle zur rechten Zeit gelöst. Das Leben ist ein einziger Spaß, nichts wird allzu ernst genommen. Mit einem Wort: Balsam für die aus diversen Gründen wunden Leserseelen. Oder einfach nur ein gutes, kurzweiliges Buch.


Auftragskiller als Antiheld. Mörder Anders, mit bürgerlichem Namen Johan Andersson, ist ein typischer Jonasson'scher Antiheld. Der alkohol- und tablettensüchtige Auftragskiller verlässt das Gefängnis nach seiner letzten Strafe mit dem festen Vorsatz, nicht nochmals hinter den berüchtigten Gardinen seines Heimatlandes Schweden zu landen. Doch dann trifft er auf „die zwei wohl bittersten Menschen des Landes“: den Hotelrezeptionisten Per Persson, der alle und alles hasst, vor allem seinen Großvater, sowie die gescheiterte Pfarrerin Johanna Kjellberg, die ebenfalls alle und alles hasst, vor allem ihren Vater und Gott. Per und Johanna erkennen einander als Seelenverwandte und kommen auf die vielversprechende Geschäftsidee, in die „Körperverletzungsbranche“ einzusteigen, mit dem beschränkten Mörder Anders als ausführendem Organ. Ab da werden Arme und Beine gebrochen und Zähne ausgeschlagen, allerdings nach strikten „moralischen“ Regeln.

Das Geschäft geht gut und ist durchaus profitabel, die Nachfrage kennt kaum Grenzen. Doch dann beginnt Mörder Anders in der Bibel der Pfarrerin zu lesen, sieht Gott und weigert sich, Menschen wehzutun. Nach dem ersten Schock über das Versiegen ihrer Einnahmequelle hat die quicke Johanna allerdings bald einen neuen Plan. Diesmal will sie Mörder Anders' Bekehrung zu Geld machen: Der Mörder, die Pfarrerin und der Rezeptionist gründen eine Kirche, in der es vor allem darum geht, Jesu' Blut sprich Rotwein zu trinken, und die ein Riesenerfolg wird. Der einzige Wermutstropfen ist, dass dem Trio zu diesem Zeitpunkt bereits die schwedische Unterwelt geschlossen auf den Fersen ist.

Fans des „Hundertjährigen“ schätzen an diesem unter anderem die Mühelosigkeit, mit der Jonasson seinen Helden Allan durch das 20. Jahrhundert taumeln und zufällig immer am Brennpunkt des Geschehens landen lässt. Die Gags sind nicht nur einfallsreich, sondern kommen auch so lässig und lakonisch daher, dass der Autor selbst von ihnen überrascht scheint.


Feel-good-Faktor fehlt. Mörder Anders hat diese Leichtigkeit nicht. Die Handlung zieht sich, die Scherze wirken oft gezwungen. Vor allem aber scheitert Jonas Jonasson in „Mörder Anders“ an dem Kunststück, das viel zum Charme des „Hundertjährigen“ beitrug: Personen, die ständig das Gesetz brechen, andere verletzen oder gar umbringen, sind dort dennoch so liebenswürdig und knuffig, dass der Leser in seiner Loyalität zu ihnen nicht eine Sekunde wankt. Bei „Mörder Anders“ bleibt man da wesentlich ambivalenter. Da findet sich keiner, der einem so richtig das Herz erwärmen würde. Und das ist für Feel-good-Bücher eher kontraproduktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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