Kurz und heftig: Die Renaissance des guten alten Krimis

Symbolbild: Der gute alte Krimi
Symbolbild: Der gute alte Krimi(c) Reuters
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Viele Krimiklassiker wurden einst nur verstümmelt publiziert oder gerieten gar in Vergessenheit. Das ändert sich gerade. "Die Presse am Sonntag" verkostete literarische Leckerbissen.

Lange Zeit wurden Krimiklassiker von den deutschsprachigen Verlagen stiefmütterlich behandelt, viele bedeutende Autoren gerieten immer mehr in Vergessenheit und wurden nicht mehr verlegt (mit Ausnahme des Diogenes-Verlags, der seit Jahrzehnten Chandler, Hammett, Dürrenmatt und Simenon pflegt). Doch spätestens seit die Krimiautoren George V. Higgins und William McIlvanney beim Verlag Antje Kunstmann ihre Wiederentdeckung feierten, tut sich etwas.

Was dabei auffällt: Es sind nicht unbedingt die großen Publikumsverlage, die diese Krimipflege betreiben, sondern vor allem Klein- und Kleinstunternehmen. Bestes Beispiel ist der Alexander Verlag Berlin, der US-Autor Ross Thomas mit einer eigenen Edition und der Neuübersetzung seiner Bücher ehrt. Am Beispiel seines Anfang des Jahres erschienenen Politthrillers „Porkchoppers“ zeigt sich, wie viel deutschsprachige Verlage gutzumachen haben. Anfang der 1970er-Jahre war das im Original 246 Seiten umfassende Buch im Zuge der Übersetzung radikal auf 132 Seiten gekürzt worden. Diese Verstümmelung von Krimis war leider kein Einzelphänomen, wie auch das Beispiel von Donald E. Westlakes „Fünf schräge Vögel“ (siehe Besprechung oben links) zeigt.

Großverlage wachen auf.
„Porkchoppers“ ist der erste Kriminalroman, den Thomas nicht aus der Ich-Perspektive schrieb. Dass ihm dieser Sichtwechsel großen Spaß gemacht haben muss, ist spürbar. Oft denkt eine Figur etwas über eine andere, und kurz darauf werden die einschätzenden Gedanken des Gegenübers offenbart. Sein wilder Mix um eine gekaufte Gewerkschaftswahl, garniert mit einem Mordkomplott, überzeugt in der Originallänge auf jeder Seite. Die intensiven Charakterstudien faszinieren und können sich nun erst so richtig entfalten. Das überraschend zeitlose Buch liest sich ein wenig wie ein Vorläufer von „House of Cards“ – nur nicht auf Präsidenten-, sondern auf Gewerkschaftsebene.

Ebenfalls im Alexander Verlag erschienen – und das ebenfalls in einer erweiterten Ausgabe – ist nun mit „Seitenhieb“ der dritte von vier Hoke-Moseley-Fällen von Charles Willeford, einem weiteren namhaften US-Krimiautor, der ohne die Liebe des Verlags zum Genre wohl längst in der Versenkung verschwunden wäre. Wer Miami in den 1980er-Jahren abseits von „Miami Vice“-Klischees besser verstehen will, sollte sich unbedingt Zeit für diesen Autor nehmen.

Robert B. Parker wiederum hat im Pendragon-Verlag eine Heimat gefunden. Dort werden sowohl die Bücher seiner Spenser- als auch der Jesse-Stone-Reihe seit Jahren publiziert. Beide Ermittler kennt man aus dem TV. Auch die Serie um den in New Orleans ansässigen Ermittler Dave Robicheaux des lang ignorierten, aber momentan groß gefeierten Krimiautors James Lee Burke wird bei Pendragon offenbar Buch für Buch wieder – und teilweise erstmalig – herausgebracht. Eric Amblers zeitlose Spionageromane („Die Maske des Dimitrios“, „Nachruf auf einen Spion“) wiederum, die bis 2008 von Diogenes publiziert wurden und seit geraumer Zeit vergriffen waren, werden seit Kurzem bei Hoffmann und Campe aufgelegt.

Kurz, aber heftig.
Mittlerweile erkennen aber auch die Großverlage, dass sich die Pflege von Krimiklassikern bezahlt machen kann. In der „Hardcore“-Reihe von Heyne erscheinen etwa alte Werke von Jim Thompson, Suhrkamp hat die Neal-Carey-Reihe des angesagten Krimischreibers Don Winslow von der genialen Conny Lösch neu übersetzen lassen.

Fazit: Wer sich durch die genannten Klassiker liest, dem wird auffallen, dass es nicht immer der heute üblichen Schwarten bedarf, um Leser spannend zu unterhalten. Der gute alte Krimi weiß unter anderem durch seine Erzählökonomie zu überzeugen – nach dem Motto „Kurz, aber heftig“.

Neu Erschienen

Ross Thomas
„Porkchoppers“

Übersetzt von
Jochen Stremmel


Alexander Verlag
309 Seiten
15,40 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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