Bachmann-Preis: Wunsch nach "mehr riskanten Texten"

ER�FFNUNG ´40. TAGE DER DEUTSCHSPRACHIGEN LITERATUR´: SPINNEN
ER�FFNUNG ´40. TAGE DER DEUTSCHSPRACHIGEN LITERATUR´: SPINNEN(c) APA (GERT EGGENBERGER)
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Mit Stefanie Sargnagels Text begann das Wettlesen bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur.

Mit der Klagenfurter Rede zur Literatur, dieses Jahr gehalten vom langjährigen Juryvorsitzenden, dem deutschen Autor Burkhard Spinnen, sind am Mittwochabend im Klagenfurter ORF-Theater die 40. Tage der deutschsprachigen Literatur eröffnet worden. Spinnen beschäftigte sich mit seinen Erfahrungen beim Bachmann-Preis und wünschte der Veranstaltung "mehr riskante Texte".

Spinnen hatte 1992 als Autor in Klagenfurt gelesen und von 2000 bis 2014 - mit einem Jahr Unterbrechung - der Jury angehört, die letzten sieben Jahre als deren Vorsitzender. "In diesen Jahren habe ich mich immer wieder gefühlt, als würde ich mit einem Mythos kämpfen, und das mit durchaus zweifelhaftem Erfolg", hieß es in seinem "Mythos, Schmerz, Erfolg und Amt" betitelten Text, in dem er "die Quintessenz meiner Erfahrungen mit diesem Wettbewerb" zu formulieren versuchte. Der Mythos besage, in Klagenfurt würden Autoren "vernichtet".

Kritik an Feuilleton, Lob der Jury

Die einzigen Vernichtungen, die er regelmäßig erlebt habe, seien jedoch die "habituellen, oder sollte ich sagen folkloristischen Verrisse des Wettbewerbs im Feuilleton" gewesen, die den Juroren regelmäßig vorgeworfen hätten, schlechte Arbeit zu leisten. Die Jurydiskussionen seien jedoch von hohem Respekt und Sachlichkeit geprägt gewesen.

Für die Schwierigkeit der literarischen Urteilsfindung sei die öffentliche Diskussion der Jury das richtige Mittel. Demgegenüber finde er es "sehr angemessen, wenn am Ende des Wettbewerbs hier in Klagenfurt eine unkommentierte Abstimmung steht. Das Ringen um ein Geschmacksurteil mündet in ein demokratisches Verfahren." Der "Schmerz, den es einem Autor oder einer Autorin bereitet, wenn ihr Text gerade von denen abgelehnt wird, deren positives Urteil sie erhoffen", könne jedoch durch Fairness und Angemessenheit nicht gelindert werden.

Das Streben nach Erfolg sei das Wesen eines Wettbewerbs wie jenes um den Bachmann-Preis, sagte Spinnen. Dessen Gewinn generiere Aufmerksamkeit und könne "die Hoffnung bestärken, auch in Zukunft als Schriftsteller leben zu können, von der segensreichen Wirkung des Preisgeldes ganz zu schweigen. Aber letzten Endes ist der Erfolg in Klagenfurt nur ein kleiner Baustein im komplexen und vielgestaltigen Gebäude einer künstlerischen Existenz." Zu deren Grundpfeilern gehöre auch die "Kraft, der eigenen Vision von einem gelungenen Kunstwerk einen adäquaten Ausdruck zu schaffen. Dazu kann es aber auch gehören, sich einmal ganz frei zu machen vom Geschmack, von den Wünschen, Vorstellungen und Regeln der anderen."

Auch deshalb wünsche er dem Bachmann-Preis "in Zukunft mehr riskante Texte und die Bereitschaft der Jurorinnen und Juroren, deren Risiko mit zu tragen. Ich weiß sehr gut, wie groß die Versuchung ist, Texte auszuwählen, die das Potenzial zum größten gemeinsamen ästhetischen Nenner haben. Und ich weiß, wie bitter es ist, mit einem riskanten Text dramatisch zu scheitern und damit womöglich die eigene Reputation aufs Spiel zu setzen. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass es auf Dauer die beste Überlebensversicherung des Bachmann-Preises sein wird, wenn er das Risiko der Kunst über jeden Tageserfolg stellt."

Startnummer eins für Sargnagel

Die Wiener Autorin Stefanie Sargnagel trat bei dem Wettlesen um den Bachmann-Preis mit der Startnummer eins an. Das hat die Auslosung zum Auftakt der 40. Tage der deutschsprachigen Literatur am Mittwochabend im ORF Theater in Klagenfurt ergeben. Heuer treten sieben Autorinnen und sieben Autoren bei der Veranstaltung an, die am Sonntag mit der Preisverleihung abgeschlossen wird.

Es folgen am Donnerstagvormittag Sascha Macht und Marko Dinic, ein in Salzburg lebender gebürtiger Wiener mit serbischem Pass, am Nachmittag Bastian Schneider und Selim Özdogan. Am Freitag lesen Julia Wolf, Jan Snela, Isabelle Lehn (vormittags) und der Israeli Tomer Gardi sowie Sylvie Schenk (nachmittags). Den Abschluss machen am Samstag Ada Dorian, die in London geborene Sharon Dodua Otoo, Astrid Sozio sowie als Letzter der Schweizer Dieter Zwicky.

Vorsitzender der Jury, die die Texte jeweils unmittelbar nach den Lesungen bespricht und auch ihre Schlussdiskussion am Sonntag (ab 11.00 Uhr) öffentlich abhält, ist wie im Vorjahr der deutsche Literaturkritiker Hubert Winkels. Mit Stefan Gmünder, Klaus Kastberger, Sandra Kegel, Meike Feßmann, Hildegard E. Keller und Juri Steiner ist auch die übrige Jury gleich geblieben.

Bachmann-Preis

Am Sonntag (3. Juli) werden vier Preise vergeben. Der nach der in Klagenfurt geborenen Autorin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannte Hauptpreis ist mit 25.000 Euro dotiert. Daneben werden der Kelag-Preis (10.000 Euro) und der 3sat-Preis (7.500 Euro) vergeben. Die Zuhörer entscheiden via Internet über den BKS-Bank-Publikumspreis (7.000 Euro).


Im vergangenen Jahr bekam Nora Gomringer den Bachmann-Preis. Lesungen und Diskussionen werden auch heuer wieder von dem Fernsehsender 3sat live übertragen.

(APA)

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