Neue Kinder-und Jugendbücher

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Schreib! Schreib! Schreib! So heißt eine „kreative Textwerkstatt“ in Buchform für Jugendliche. Wir schreiben, aber lesen wir auch? Lesen Sie: Von einem alten Seebären, Oma aus China - und Constance, die ein Junge war.

Erinnerung an H. C. Artmann

„,Na so was, wer piept denn da so früh am Tag?', sagt Ompül - ,wenn das keine Maus ist!“ Der ehemalige Seemann Ompül, eine fröhliche Robbe, die in der Nähe von Feuerland in einem Leuchtturm wohnt, könnte zufrieden den Ruhestand genießen, wäre da nicht eine Mäuse-Invasion. H. C. Artmann hat die witzige Geschichte erzählt, Elsa Klever hat sie nett (nicht schräg) illustriert. Irritierend an diesem Buch wirkt allerdings die „Eindeutschung“. Ob Artmann tatsächlich „einholen“ statt „einkaufen“ aufgeschrieben hat, gucken statt sehen - und Käsestulle?

H. C. Artmann, Elsa Klever „Maus im Haus“, Nilpferd (G&GVerlag), 48 Seiten, 18 Euro, für jedes Alter

Neu erzählter Klassiker

„,Um alle Esel hier klug zu machen – das würde mehr Zeit kosten, als mir zusteht'“, dachte Till und zog vergnügt weiter. Heinz Janisch hat „Till Eulenspiegel“ neu erzählt – Lisbeth Zwerger hat das Buch illustriert, zwei pfiffige Meister ihres Handwerks haben hier einen Klassiker neu belebt.

Lisbeth Zwerger, Heinz Janisch „Till Eulenspiegel“, classic-minedition (Michael Neugebauer), Bilderbuch, 10 Euro, ab 3J

Wie alles begann

„Eines grauen Tages dachte meine Urururururururgroßmutter sich die Farben aus und färbte ihre grauen Schuppen. Heute so und morgen so. Seitdem ist die Welt bunt.“ So spricht das Chamäleon. Aller Anfang ist schwer – oder auch nicht. Auch Gott kommt zu Wort in diesem Buch über den Beginn von Manfred Schlüter, der in Schleswig-Holstein nahe dem Meer lebt. Schlüter pflegt den altmodischen, versponnen-poetischen Kinderbuchstil ohne Zweck und Absicht. Sein Buch erinnert an ein anderes, das er herausgebracht hat: „Vom Fischer, der ein Künstler war. 30 kleine Geschichten für große Gedanken“ (mixtvision, 2011; auf Amazon sind mehrere ältere Bücher des Autors und Illustrators zu haben).

Manfred Schlüter „Am Anfang sagte der Apfel. Etwas andere Geschichten von der Schöpfung von A bis Z“, Verlag Bibliothek der Provinz, 60 Seiten, 20 Euro, ab 4J

Pillendrehers Entdeckung

„,Brauchst du etwas, kleiner Mistkäfer?' ,Ja, Herr Kuckuck, eine Auskunft brauche ich: Kennen Sie Eltern von dem Ei?'“ Der Kuckuck ist ein Spezialist, aber ein Angeber, er kann dem kleinen Mistkäfer keinen Rat geben. An Mira Lobes Klassiker „Das kleine Ich bin ich“ erinnert dieses Buch, es ist informativ und erzählt von einem Star aus der Natur in vielen Kinderzimmern: dem Pillendreher, der am Ende eine sehr große Überraschung mit seinem „Ei“ erlebt.

Fred Paronuzzi und Andrée Prigent „Otto findet was“, übersetzt von Thomas Bodmer, Nord-Süd-Verlag, 14,99 Euro, ab 4J

Eltern erziehen

„Ich brachte ihnen bei, sich vernünftig anzuziehen. Ich brachte ihnen bei, wie man über die Straße geht. Ich brachte ihnen bei, mich nicht zu unterbrechen.“ Es ist fraglich, ob kleine Kinder Ironie verstehen. Aber zum Vorlesen (für subversiv angehauchte Eltern und Großeltern) ist dieses Bilderbuch sehr amüsant. Das kleine Mädchen, das darin auftritt, ärgert sich, dass seine Eltern, die es anfangs süß fand, nicht tun, was es will. Aber nach einiger Zeit, sind sie umerzogen. Ja, das erlebt auch mancher Neuling beim Vater-und Muttersein. Von Katharina Grossmann-Hensel sind auch noch andere pädagogisch wertvolle Bilderbücher wie „Mukulele“, „Küss mich oder friss mich“, „Mein Papa ist Pirat“ oder „Warum Erwachsene nachts so lange aufbleiben müssen“.

Katharina Grossmann-Hensel „Eltern richtig erziehen“, Bilderbuch, Annette-Betz-Verlag, 12,95 Euro, ab 4J

Whale-Watching

Ein getupfter Riesen-Wal, so was gibt es nicht, wahrscheinlich war es eine Ente. Oder eine Zeitungsente. Nein, so was gibt es auch nicht. Zwei Kinder machen sich auf den gefährlichen Weg, um das Geheimnis zu ergründen. Sie brauchen dabei keine Worte, sondern nur Bilder. Und was für Bilder! Hinreißende Mini-Graphic Novel für kleine Abenteurer, die sich auf den großen „Moby Dick“ einstellen wollen! Ethan und Vita Murrow sind ein junges Paar, das auch allerlei originelle Aktivitäten auf Twitter entfaltet.

Ethan und Vita Murrow „Der Wal“, Prestel-Verlag, Bilderbuch, 25,70 Euro, ab 5J

Der Leopard mit der Maus

„Der Leopard knurrte: ,Was soll der Lärm?' ,Ich kann nicht schlafen, weil ich Angst vor großen Tieren habe', schluchzte die Maus.“ Dies ist die wahrhaft entzückende Geschichte von Rigo und Rosa. Rigo, der Zoo-Leopard, und Rosa, die Maus, freunden sich miteinander an, sie führen ernste Gespräche, zum Beispiel, darüber, warum Leoparden tolle Gehege bekommen und Mäuse keinen Mäusepark. Sehr ungerecht! Findet Rosa. Die beiden lernen voneinander – und am Ende sagt Rosa: „Stell dir vor, es gäbe ein Buch über uns!“ Und Rigo antwortet: „Liebe Rosa, ein Leopard und eine Maus, das glaubt uns niemand.“

Lorenz Pauli, Kathrin Schärer „Rigo und Rosa“, 128 Seiten, Orell Füssli-Atlantis, 16,95 Euro, ab 5J

Ein Stück heile Welt

„Sarahs Mama hat eine ganz komische Frisur. Sie hat aus ihren Haaren einen Turm gemacht.“ Sarahs Eltern gehen ins Theater – und Sarah besucht Selina. Diese führt ein ganz normales Leben, was in Kinderbüchern selten ist und daher richtig erfrischend sein kann, speziell im Sommer, wenn man auch einmal etwas Leichtes und Optimistisches lesen will. Wir sehen Selina beim Aufwecken ihrer Mama, mit ihrem kleinen Bruder Florian und ihrer Katze Maunzi. Selina hat besondere Talente, sie ist musikalisch und dichtet. Georg Bydlinski, Bruder des Kabarettisten Mini Bydlinski, und seine Frau Birgit sind ein Autoren-Paar, das schon öfter gemeinsam in Erscheinung getreten ist, so auch hier.

Birgit und Georg Bydlinski „Selina singt sich durch die Woche“, illustriert von Beate Fahrnländer, 63 Seiten, Obelisk-Verlag, ab 6J, 10,95 Euro

Tierische Detektiv-Geschichten-Parodie

Lieben Sie auch diese grindigen, aber großartigen Detektive, die durch manche Katastrophe zum Erfolg stolpern? Dann sind Sie (oder ihr Sprößling) hier richtig: „Es war eine regnerischer Morgen, als ich mich gähnend aus dem Bett wühlte. Nach vielem Strecken und Recken, elf Kniebeugen und siebendreiviertel Liegestützen begann es in meinem Bauch mächtig zu rumpeln: Hunger! ,Wilder Elch, ich komme!', rief ich voller Tatendrang und verließ mein stilvolles Zuhause.“ Stinktier Flätscher trifft Theo, den Stotterer, und Frau Knesemeier, die gehässigste alte Frau im Viertel. Spitzenkoch Bode gönnt dem tüchtigen Erforscher krimineller Unregelmäßigkeiten und voller Mülltonnen seine Semmelknödel nicht, aber . . . ja, das kann nicht verraten werden, weil die amüsante Reihe über Flätscher erscheint erst ab Ende August.

Antje Szillat und Jan Birck „Flätscher. Die Sache stinkt!“, 128 Seiten, dtv junior, 11,30 Euro, ab 8J

Ein Stück schreckliche Welt

„Es ist alles so kompliziert, dass ich manchmal denke, erst wenn alle tot sind, hört das Schießen auf.“ Talithas Vater ist Arzt. Die christliche Familie lebt in einem großen Haus in Damaskus bis der Krieg beginnt und sie flüchten müssen. Die Großmutter wird in den Bergen bei einem Feuergefecht erschossen, der Großvater weigert sich, sein Dorf zu verlassen. Talitha selbst wird gefoltert. Carolin Philips, 1954 in Niedersachsen geboren, ist Historikerin und hat u. a. über die deutsche Neonaziszene und die Ausbeutung von Kindern in Vietnam durch die Schuhindustrie geschrieben. „Talitha“ ist ein überaus packendes und schockierendes Buch, über das, was uns umgibt: Hier und Heute.

Carolin Philipps „Talitha“, Obelisk-Verlag, , 218 Seiten, 13,95 Euro, ab 12J

Flüchtlinge

„,Keine Polizei', wiederholte Mama. „Sagt Esad immer. Keine Polizei.“ Pino, Esad und ihre Mutter warten auf ihren Asylbescheid und fürchten sich vor Abschiebung. Der Vater ist untergetaucht und verdingt sich als Illegaler mit Gelegenheitsarbeit. Renate Welsh zeichnet mit viel Einfühlungsvermögen den Alltag von Flüchtlingen und macht klar, dass sie den Unterschied zwischen Wirtschafts-und Kriegsflüchtlingen nicht nachvollziehen kann. Hinten im Buch erzählen die Asylanten selbst, wie es ihnen ergangen ist (und ergeht).

Renate Welsh „. . . und raus bist du“, Obelisk-Verlag, 143 Seiten, 11,60 Euro, ab 12J

Chinesische Impressionen

„Wenn du fertig bist, gehen wir, aber nicht in diesem Hemdchen, das den Bauchnabel frei lässt. Ich bin gewiss nicht prüde, aber in der traditionellen Medizin weiß man, wie wichtig es ist, die Leibesmitte warm zu halten.“ Mulan, benannt nach der gleichnamigen Disney-Heldin, ist 16 Jahre alt, ihr Vater Deutscher, die Mutter Chinesin. Wegen der ständigen Konflikte mit der Mama, wird das Mädchen nach Shanghai geschickt. Drei Monate soll sie dort mit der Familie ihrer Mutter verbringen. Mulan sträubt sich, vor allem gegen das strenge Regime der maoistischen Großmutter, die allerdings Mulans Erkältung mit chinesischer Medizin und Kräutern vertreibt. Die deutsche Sinologin Susanne Hornfeck, Autorin der spannenden Bücher „Ina aus China“ und „Torte mit Stäbchen“, hat staunenswerte Detailkenntnisse und ein großes Einfühlungsvermögen in die chinesische Kultur. Das gilt auch für ihr jüngstes Buch.

Susanne Hornfeck „Mulan – Verliebt in Shanghai“, Reihe Hanser bei dtv, 260 Seiten, 10,99 Euro, ab 13J

Ein Verlag mit vielen Ideen

Beim Verlag Jacoby & Stuart fällt einem die Wahl schwer: Ein Buch ist ansprechender als das andere. Beispiel I: „Handschuh-Kid“ von Julia Hunt und Dale Newman, eine unheimliche Graphic Novel, die von fernher an „Hugo Cabret“ (Bubengeschichte, verfilmt von Martin Scorsese) erinnert. Allerdings ist die Story über einen jungen Klavier-Virtuosen und einen Straßenjungen näher bei Fantasy angesiedelt (ab 9J). Beispiel II: „Willkommen in Deutschland“ von Patricia Thoma, ein konstruktives Bilderbuch über die alte und die neue Heimat, das Lernen der neuen Sprache und Rituale von Zuhause, etwa Teezubereitung in Libyen und Moussaka (ab 4J). Beispiel III: „Kleine Katzenkunde“ von Sébastien Perez und Benjamin Lacombe. Lernen Sie den dicken Raimund kennen, Isidor, den Rekordhalter im Rückwärtspringen und Streunerin Nikki, die sich in eine Super-Maus verliebt. Für Jugendliche und Erwachsene geeignet. Beispiel IV: „Hubert“ von Ben Gijsemans. Hubert, milde gesagt ein Sonderling, liebt Museen und leicht geschürzte Damen. Was wird daraus? Nicht das, was man erwarten würde (für junge Erwachsene).

Julie Hund und Dale Newman „Handschuh-Kid“, 288 Seiten, 20.60 Euro; Patricia Thoma „Willkommen in Deutschland“, Bilderbuch, 32 Seiten, 13,40 Euro; Sébastien Perez, Benjamin Lacombe „Kleine Katzenkunde“, 72 Seiten, 20.60 Euro; Ben Gijsemans „Hubert“, 96 Seiten, 24,70 Euro.

Orientalische Fantasy

„Lo-Melkhiin lächelte, nicht wie ein Jäger oder eine Viper, aber auch nicht wie ein Mann – zumindest nicht wie ein Mann, mit dem ich mein Bett teilen wollte.“ Dreihundert Mädchen hat Lo-Melkhiin getötet, bevor er ins Dorf der Ich-Erzählerin kommt und sie entführt. Fantasy-Bücher mit orientalischem Hintergrund sind derzeit beliebt – und lehnen sich des öfteren an die Scheherazade-Geschichte an. Dieses hier ist insofern interessant als es  orientalische Mythen und Märchen variiert. Emily Kate Johnston hat forensische Archäologie studiert, sie ist Buchhändlerin, hat eine Zeit in Jordanien verbracht und sechs Sommer in der Wüste. Ihr nächster Roman, „Spindle“, über eine Fluch geplagte Prinzessin erscheint im Dezember. Kollegin Rachel Hartman („Seraphina“) nennt Johnston die „Storyteller-Queen“.

Emily Kate Johnston „Tausend Nächte aus Sand und Feuer“, cbt-Verlag, 364 Seiten, 17,50 Euro, ab 14J.

Geniale Graphic Novel

„,Guten Tag, Frollein!' Das sind ja Kinder!“ Dies ist die schockierende Geschichte eines kleinen Mädchens, das in Wahrheit ein Junge ist, vielleicht aber doch nicht ganz? Ein Kind ist Constance jedenfalls, sie lebt in einem Schloss und wird von zwei bizarren alten Leuten gefangen gehalten, die, anders als Constance glaubt, nicht ihre Großeltern sind. Der alte Mann trinkt, die alte Frau ist eine irrsinnige Domina. Der französische Illustrator und Geschichtenerzähler Matthias Lehmann ist ein Genie. Seine grandiose Graphic Novel handelt von Spiegelungen und Sinnestäuschungen, von einer Vergangenheit, die sich im Heute wieder findet. Wer ist Opfer, wer Täter? Sind die draußen mehr verrückt als die drinnen – im Schloss? Und wie geht man mit Traumata um, die einem kein Experte helfen kann, zu bewältigen?

Matthias Lehmann „Die Favoritin“, übersetzt von Volker Zimmermann, Graphic Novel, Carlsen, 160 Seiten, 17,99 Euro, ab 14J

Selber schreiben mit Stil (und ohne -Blüten)

„Sei jemand anders!“ Wenn man eine Erzählung schreibt, blickt man in das Innere einer anderen Person. Die Pubertät ist meistens die Zeit, in der junge Leute zu schreiben beginnen. Aber durch Mail, Facebook, SMS gibt es eine ganz neue Schreibkultur, einen Boom geradezu. In dieser „kreativen Textwerkstatt“ kann man lernen, wie man sich ausdrückt.

Katarina Kuick/Ylva Karlsson „Schreib! Schreib! Schreib! Die Kreative Textwerkstatt“, Beltz & Gelberg, 144 Seiten, 14,95 Euro, ab 14J

Weg eines Dschihadisten

„Er brauchte die Schule auch gar nicht, denn es lief ja alles auch so ganz gut.“ Kadir verdient bei seinem entfernten Onkel Ahmed 20 Euro für Autowaschen, innen und außen, „von Hand“. Mit mehr als tausend Euro im Monat, findet Kadir, kann er mehr ausgeben als Leute mit Abitur und Studium. Der Islamwissenschaftler Benno Köpfer und der Autor Peter Mathews haben einen packenden Roman über die Metamorphose eines jungen Burschen zum Dschihadisten geschrieben. Angehängt ist ein Glossar, was ist was und wer ist wer im Heiligen Krieg.

Benno Köpfer, Peter Mathews „Kadir, der Krieg und die Katze des Propheten“, Reihe Hanser bei dtv, 340 Seiten, 15,40 Euro, ab 14J.

Kurztipps

Und hier noch einige Kurz-Tipps aus der überreichen Auswahl großartiger Kinder-und Jugendbücher:

  • Was Heiteres: Antje Damm, Katja Gehrmann „Hat Jesus Fußball gespielt?“, Moritz-Verlag (zum selber Lesen, ab 6J), Susanne Weber „Unterwegs mit Paul & Papa“, Illustrationen: Susanne Göhlich (ab 4J).
  • Schräg: Marcus Sedgwick „Das Glück ist blind, aber nicht unsichtbar“ Reihe Hanser, dtv: Die 16jährige blinde Laureth reist mit ihrem kleinen Bruder Benjamin nach New York, um ihren Vater zu finden. (ab 13J).
  • Traurig, aber wahr: Michaela Holzinger „Kalt bläst der Wind“ über ein Kind, dessen Mutter seit dem Tod des Vaters Depressionen hat, Obelisk (ab 12J);

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