Bis dass der Tod uns scheidet

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Die Amerikanerin Robin Black hat ein feinsinniges Buch über zwei Menschen geschrieben, die in großer Liebe verbunden sind und einander trotzdem oft verlieren.

Natürlich gebe es gute Schriftstellerinnen in Russland, aber sie schrieben häufig über Familie und Beziehungen mit einer weiblichen Sicht auf die Welt. Das sagte kürzlich die junge Schriftstellerin Alissa Ganijewa in einem Interview mit der „Presse am Sonntag“. Solche Schriftstellerinnen gibt es vermutlich überall. Und genau so eine Schriftstellerin ist Robin Black. Ihr jüngster Roman, „Porträt einer Ehe“, erzählt von der langjährigen Beziehung einer Malerin und eines Schriftstellers.

Dass die überbordenden Gefühle der Verliebtheit irgendwann von Überdruss und Ennui überlagert werden, kann man schon in Tolstois „Anna Karenina“ nachlesen. Bei Augusta (Gus) und Owen, den beiden Hauptfiguren in Robin Blacks Buch, ist es Augusta, die der Enge entflieht und eine Affäre beginnt. Das Ehepaar zieht von Philadelphia aufs Land. Und zwar wirklich aufs Land, nicht in eine kleine Stadt oder ein Dorf, nein, in ein altes, unbewohntes Haus abseits menschlicher Siedlungen. Wie sich nach und nach zeigt, ist es eher eine Flucht denn eine bewusste Entscheidung. Über Gus' Affäre wird nicht gesprochen, trotzdem ist sie ständig präsent, ist sie doch der Auslöser für Owens Schaffenskrise. Täglich begibt er sich in die Scheune des Hauses, um dort zu arbeiten, und täglich kommt er frustriert wieder heraus – wieder ist es nichts geworden.

Tröstliche Kunst. Doch während Owen feststeckt, erlebt Gus einen kreativen Schub. Sie wagt sich auf ein neues Feld, beginnt einen Bilderzyklus mit im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten, die sie in Alltagsposen in dem Landhaus in Küche, Bad, Eingang positioniert. Bis dato hat Gus noch nie Personen gemalt, immer nur Landschaften – in Stadt und Land. Aus Rücksicht auf Owen redet Gus über ihre Arbeit nicht, und Owen ermuntert sie nicht dazu.

So wird das künstlerische Schaffen der beiden auch zu einem Tabu. Eine Situation, die Gus schon kennt. Zum zweiten Mal in ihrem Leben ist sie gezwungen zu schweigen: Als sie zwei Jahre alt war, verstarb ihre Mutter. Der Vater zieht drei Mädchen allein groß. Die Mutter darf nicht erwähnt werden. Doch so wie die Mutter durch das Totschweigen nicht verschwindet, vergeht auch Augustas Kreativität nicht.

Zum Glück – denn in dieser Einsamkeit ist das künstlerische Schaffen der Anker, der diesem Leben Halt gibt. So ist dieser Roman nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch eine über die Kunst: die Euphorie, die den Kreativen zu Beginn des Prozesses überwältigt, die Zweifel und Ängste, die sich im Lauf des Schaffens bleischwer auf die Arbeit legen, die zehrenden Fragen: Ist es fester Untergrund oder brüchiges Eis, über das man reitet? Und was erwartet einen am Ufer? Dass Augusta das alles mit sich allein herumzutragen hat, lässt den Kessel beinahe explodieren. Doch dann zieht Alison in das bis dato leere, halb verfallene Nachbarhaus ein. Sie ist auch Malerin – Augusta freundet sich mit ihr an. Bis deren schöne, junge Tochter, Nora, auftaucht. Das Karussell aus Eifersucht, Neid, Begehren beginnt sich erneut zu drehen und zieht Augusta und Owen in einen gefährlichen Strudel. Schicht für Schicht legt Black die Gefühle der Protagonisten frei, schonungslos ehrlich. Und doch stürzen diese nie in jene selbstzerstörerische Zerfleischung ab wie etwa die Paare in Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ oder jene in Strindbergs Stücken. Robin Black öffnet bei aller klugen Analyse eine warme, weibliche Sicht auf die Welt.

Neu Erschienen

Robin Black: „Porträt einer Ehe“
übersetzt von Brigitte Heinrich
Luchterhand, 318 Seiten, 20,60 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2016)

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